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Nördlich des Weltuntergangs

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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geheime Botschaft an das Ersatzlager. Dies bewirkte lediglich, dass nun statt einer jedes Mal zwei Kisten auf dem Bahnhof von Valtimo eintrafen, von denen eine eine finnischsprachige Anweisung enthielt. Diese Praxis wurde bis zum Ende des Krieges beibehalten.
    Als Eemeli wieder einmal gemeinsam mit Severi Horttanainen im Pferdewagen unterwegs war, um zwei Kisten vom Bahnhof abzuholen, stießen sie auf eine Horde wild aussehender Männer. Am südlichen Ende des Hiidenjärvi-Sees stürmten mehr als zehn schwarzbärtige Reiter aus dem Wald. Es waren Donkosaken.
    Der Anführer fragte, ob sie in Finnland seien. Als Eemeli bejahte, erklärte der Mann, dass er mit seiner Patrouille unterwegs sei, um vor einer riesigen Horde von Frauen zu warnen, die sich durch die Wälder arbeiteten, mindestens vierzigtausend seien es.

34
    Der schnauzbärtige Ataman radebrechte Englisch, um sich verständlich zu machen. Die Kosaken seien die inoffizielle Vorhut, die Kundschafter des Frauenkreuzzuges. Er wolle den finnischen König sprechen, falls ein solcher regiere, oder zumindest den nächsten Stammeshäuptling. Eemeli Toropainen lud den Ataman in sein Haus ein.
    Der Ataman überreichte Eemeli einen Krummsäbel mit Scheide als Geschenk. Eemeli ließ Essen auftragen. Während der Mahlzeit erklärte der Ataman sein Anliegen.
    Er und seine Männer waren bereits im dritten Jahr unterwegs. Im Dontal waren seinerzeit Tausende von weiblichen Flüchtlingen aufgetaucht, die ursprünglich aus Indien und Pakistan kamen. Im Süden Asiens waren viele lokale Kriege geführt worden, und die Frauen und Kinder hatten darunter am meisten gelitten.
    Anfangs hatten nur ein paar Hundert Frauen die Flucht angetreten, um in nördliche, ruhige Regionen auszuwandern. Ihre Kinder hatten sie mitgenommen, nicht jedoch die Männer und die größeren Söhne. Es war eine lautlose Antikriegsdemonstration des weiblichen Geschlechts, die Frauen hatten die Krieger verlassen und waren vor dem Krieg geflohen. So erklärte es der Ataman und äußerte zugleich sein Befremden über dieses Verhalten.
    Die Frauen waren in loser Gruppe durch Afghanistan und vorbei am ausgetrockneten Aralsee und bis auf die Ostseite des Kaspischen Meeres gezogen. Nachdem sie das Letztere umwandert hatten, hatten sie sich nach Westen gewandt und waren ins Donbecken gekommen, wo sie unter den Kosaken Helfer geworben hatten, denn bekanntlich hatten Frauen (und Araber) einen schlechten Orientierungssinn. Die Schar war ständig gewachsen, besonders, nachdem der dritte Weltkrieg ausgebrochen war. In den besten Zeiten waren es fast sechzigtausend Frauen gewesen, die unterwegs waren, und wenn man die Kinder mitzählte, insgesamt sogar hunderttausend Personen. Nur ein paar alten Männern war gestattet worden, sich anzuschließen.
    Die Kosaken durften nicht im Lager der Frauen wohnen, obwohl es ihnen durchaus gefallen hätte, sondern sie mussten vor dem Zug herreiten, den Weg auskundschaften und Beziehungen zu den Völkern anknüpfen, deren Gebiet die Karawane überquerte, außerdem mussten sie sich als Dolmetscher betätigen.
    Der Ataman sagte, dass er Ende des vergangenen Jahrtausends auf dem Sprachgymnasium von Irkutsk Englisch gelernt habe. Jetzt sei er sechzig Jahre alt.
    Eemeli Toropainen wollte wissen, warum ausgerechnet ein Kosakenführer vom Rang eines Atamans als Anführer einer kleinen Reiterstaffel in fremden Ländern unterwegs war.
    »Mir blieb nichts anderes übrig. Kurz nach dem Eintreffen der Frauen marschierten nämlich eine Million Uiguren im Donbecken ein, sie kamen nicht zu Fuß, sondern mit Panzern.«
    Eemeli fragte, warum sich die Frauen nun gerade Finnland als Ziel gewählt hatten. War das Klima nicht zu kalt für Menschen aus dem Süden?
    Der Ataman erzählte, dass die Frauen unterwegs in Nowgorod überwintert hatten. Das hatte sie abgehärtet. Sie beabsichtigten, so lange zu wandern, bis sie einen ruhigen Winkel auf dieser Welt fänden, in dem sie sich mit ihren Kindern niederlassen könnten. Da ein Weltkrieg wütete, mussten sie Mitteleuropa meiden, sodass es ihnen vernünftig erschienen war, nach Norden zu ziehen.
    Der Ataman lud Eemeli im Namen der Anführerin der wandernden Frauen zu einem Gespräch ein; sie wollte mit ihm über die Möglichkeit verhandeln, sich in Ukonjärvi oder der näheren Umgebung niederzulassen. Der Ataman empfahl Eemeli, nicht allein zu kommen, da er ein Mann sei, sondern wenigstens ein paar seiner Ehefrauen mitzunehmen. Er hatte doch sicher welche? Das

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