Nördlich des Weltuntergangs
Partisanenkompanie verpflichtet worden, alle ausländischen Eindringlinge fern zu halten, ob es nun feindliche Soldaten oder beispielsweise Frauen seien. Ukonjärvi gehöre immerhin zu Europa, und insofern galten auch für ihn die europäischen Gesetze.
Er verriet auch, dass sich auf seinem Gebiet eine Kernwaffe befand, was ein gewisses militärisches Risiko darstelle. Sollte sich die Waffe von selbst zünden, wäre die ganze Gegend zerstört. Er wollte nicht den Tod von vierzigtausend Frauen riskieren.
Eemeli breitete die finnische Landkarte auf dem Rasen aus. Die kleine Gesellschaft kniete nieder, um sie zu studieren. »Ich empfehle Ihnen, Ihr Volk nach Ostbottnien zu führen. Dort gibt es riesige Feldflächen und Unmengen geräumiger Häuser mit bis zu zehn Zimmern, in denen aber nur zwei, drei Menschen leben. Die dortigen Männer wissen Frauen besonders zu schätzen«, rühmte Eemeli die Gegend.
»Ist der Stamm nicht sehr kriegerisch?«, fragte die Königin zweifelnd. Sie sagte, sie habe auf ihrer langen Wanderung so etwas läuten gehört. Im fernen Nowgorod hatten die Leute Andeutungen über einen Winterkrieg oder ein ähnliches Scharmützel gemacht, das einst geführt worden war und in dem auf der einen Seite gerade die Leute aus Ostbottnien gekämpft hatten.
Eemeli wies die Gerüchte über die kriegerische Veranlagung der Ostbottnier zurück. Er versicherte, dass sie ein friedliebendes Volk seien, die Männer am liebsten zu Hause die Felder bestellten und sich davor hüteten, an militärischen oder politischen Auseinandersetzungen teilzunehmen. Sie saßen am Feierabend daheim vor der Haustür und sangen Volkslieder.
Eemeli riet der Anführerin, sich mit ihren Frauen vom jetzigen Standort aus in westliche Richtung zu wenden, sie sollten nördlich an Nurmes vorbeiziehen, und zwar über Rautavaara nach Iisalmi und dann nach Pihtipudas, von dort könnten sie sich auf Ostbottnien verteilen. Eemeli empfahl ihnen, sich in Alajärvi, Lapua, Kauhava, Ilmajoki, Kurikka und anderen Orten niederzulassen. Aus dieser Gegend seien im vergangenen Jahrhundert viele Leute abgewandert, sodass dort ohne weiteres vierzigtausend neue Kriegsflüchtlinge unterkommen konnten, zumal es sich um Frauen und Kinder handelte.
Eemeli pries noch die Alltagsgerichte der Ostbottnier als besonders nahrhaft und köstlich. Speziell nannte er Roggenbrei und Kloßsuppe.
Ferner riet Eemeli, tausend oder zweitausend Flüchtlingsfrauen ins westliche Lappland zu schicken. Er dachte bei sich, dass diese Anzahl in der Wildmark um Kittilä und Enontekiö die passende stille Reserve wäre, für den Fall, dass er mal mit Horttanainen zum Angeln hinaufführe.
Dieses Gespräch entschied die Angelegenheit und gleichzeitig Ostbottniens Zukunft. Zwei Tage später setzten die vierzigtausend Frauen ihren Marsch fort. Es war, als würde eine Armee mobilisiert: Die Zelte wurden abgebaut, der Tross beladen, die Zugtiere angespannt, der erste Wagen fuhr am Morgen gen Westen ab, der letzte setzte sich erst am Nachmittag schaukelnd in Bewegung. Die Karawane war fünfzehn Kilometer lang. Pro Tag legte sie jedoch eine beachtliche Strecke zurück, nämlich zwanzig Kilometer, und wenn sie die Landstraße benutzen konnte, sogar noch mehr. Als die Frauen südlich an Ukonjärvi vorbeizogen, ordnete Eemeli Toropainen an, ihnen als Abschiedsgeschenk fünf Ochsen und zehn Fässer gesalzener kleiner Maränen zu überbringen.
Als sich die Frauen gegen Ende des Sommers auf Ostbottnien verteilt hatten, entstand dort eine Lage, in der die Männer ihre Flucht in Erwägung zogen. Es wäre seit langem das erste Mal gewesen, dass die Ostbottnier von einer fremden Rasse vertrieben worden wären. Aber wohin fliehen in einer Welt, in der ein Atomkrieg wütet? Den Ostbottniern blieb nichts weiter übrig, als bestehende Tatsachen zu akzeptieren und fortan mit vierzigtausend fremdländischen Frauen zusammenzuleben.
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Die Massenwanderung der Frauen hatte Eemeli Toropainen erschreckt. Bislang war der Weltkrieg für die Gemeinde Ukonjärvi recht friedlich verlaufen, aber wehe, wenn es erneut zu einem Zustrom Zehntausender Menschen käme. Die Frauenkarawane war völlig überraschend erschienen. In Ukonjärvi kamen nicht viele Informationen über die Weltlage an; auf die Radiomeldungen war kein Verlass, auch konnte man die Sendungen wegen der ständigen Störungen oft nicht empfangen. Zeitungen erschienen nicht mehr, Helsingin Sanomat, die anfangs noch einmal pro Woche veröffentlicht
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