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Nördlich des Weltuntergangs

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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keine der welterschütternden Nachrichten übermitteln konnte, die bald wieder veralten und im alles verschlingenden Fass der Geschichte versinken würden. Die Monate vergingen, die Jahre verrannen, und nichts geschah, abgesehen vom Fortdauern des dritten Weltkrieges.
    Im Sommer ergab es sich dann endlich so günstig, dass ein sibirischer Universitätsdozent starb. Severi wurde mit der Aufgabe betraut, die Leiche seines Mithäftlings hinauszuschaffen und auf den Eselskarren zu legen. Es war die Gelegenheit. Severi sprang zu der Leiche in den Karren und trieb die Esel an. Im Kugelhagel verließ er das Gelände und hetzte die wild gewordenen Tiere durch die Straßen, bis er an einer geeigneten Stelle vom Karren sprang und sich im verfallenden Labyrinth der verwaisten Stadt versteckte.
    Die Rückfahrt nach Finnland und hinauf in den Norden hatte länger als zwei Monate gedauert. Es war eine harte Tortur für den von der Haft geschwächten alten Mann gewesen, der Gedanke an die Freiheit hatte ihn am Leben und in Bewegung gehalten. Und nun war er zu Hause und brachte neue Informationen über die Zustände beim östlichen Nachbarn mit.
    »Ich muss sagen, dass mich Weltreisen nicht mehr sehr reizen«, lautete Severis stilles Fazit aus seinen Erfahrungen.
    Er holte eine kleines und schmuddeliges aufgerolltes Öltuch hervor, auf dessen Innenseite sich ein prachtvolles Gemälde befand. Es war Ilja Repins berühmtes Unerwartet.
    »Wenn mir jemand dafür einen Rahmen baut, dann wäre die Reise wenigstens nicht ganz umsonst gewesen«, sagte der Alte, während er melancholisch das Gemälde betrachtete.

36
    Im Frühjahr 2017 verbreiteten sich Gerüchte, dass der dritte Weltkrieg zu Ende sei. Truppen waren nicht zu sehen, allerdings auch kaum Zivilpersonen. Die Gebiete hinter der Ostgrenze waren verwaist.
    Da hatte Eemeli Toropainen die Idee, eine Expedition ans Weiße Meer zu schicken, die die dortigen Fangmöglichkeiten prüfen sollte. Wenn es stimmte, dass es an den Ufern des Meeres keine Besiedelung mehr gab, könnte man dort gut mit Schleppnetzen fischen. Im Laakajärvi gab es zwar immer noch reichlich Fisch, aber da die Einwohnerzahl der Gemeinde in den Kriegsjahren gewachsen war, brauchte man zusätzliche Fangplätze.
    Bei der Gelegenheit konnte die Expedition auch gleich die arabische Wasserstoffbombe, die am Murtovaara lagerte, mitnehmen. Wenn nun der Frieden wieder in der Welt Einzug hielt, könnte die Bombe Probleme bereiten. Was sollte man den Behörden sagen, die früher oder später auftauchen und strenge Fragen stellen würden? War es etwa das erklärte Anliegen der Stiftung, sich mit Atomwaffen auszurüsten?
    Man begann mit den Vorbereitungen für die große Kola-Expedition. Siebzig Männer sollten teilnehmen: Partisanen, Fischer, Schmiede und Zimmerleute, außerdem die Feldpröbstin. Severi Horttanainen hatte keine Lust mitzufahren, er sagte, er habe genug von Reisen in diese Gegend. Er sei schon so alt, dass er den Verlockungen des Ostens, die im schlimmsten Falle jahrelanges Schmachten in feuchten Gefängniszellen bedeuteten, lieber widerstehen wolle. Auch Eemeli Toropainen blieb zu Hause, denn er war ebenfalls nicht mehr jung und außerdem herzkrank. Mit der Leitung der Expedition wurde Taneli Heikura, der Chef der Partisanenkompanie, betraut.
    Eine umfangreiche Ausrüstung wurde eingepackt: Waffen, Werkzeug, Seile, Nägel, Fanggeräte, dazu Verpflegung sowohl für die Expeditionsteilnehmer als auch für die Zugochsen. Zunächst sollte es zum Murtovaara gehen, wo die Wasserstoffbombe abzuholen war, und dann weiter zum Ufer des Weißen Meeres. Dort sollte eine Schiffswerft für den Bau von fünf Fangfahrzeugen, dazu ein Stall für die Ochsen und eine Unterkunft für einen Teil der Teilnehmer gebaut werden.
    Wenn die Schiffe etwa um die Weihnachtszeit fertig waren, sollten die Kernwaffe und die erforderlichen Fanggeräte aufgeladen werden. Die Hauptgruppe der Expedition, nämlich fünfzig Fischer und Partisanen, sollte in See stechen und mit der Ukonjärvi-Flotte vom Weißen Meer in die Barentssee und bis nach Nowaja Semlja segeln. Dort sollten sie die Atombombe an Land bringen. Falls sie auf der Insel arbeitsfähige russische Truppen anträfen, sollten sie mit ihnen die Vernichtung der Bombe vereinbaren, andernfalls ein Schutzdach für sie bauen, ihren Standort sorgfältig markieren und absichern, dass sie sich nicht von allein zünden konnte.
    Auf der Rückfahrt sollten die Männer im Eismeer fischen und, wenn

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