Nördlich des Weltuntergangs
Expedition von der Barentssee mitgebracht hatte. Der Wirbelknochen eines Weißwals und der Zahn eines Moschusochsen aus der Ponoi-Niederung waren die Attraktionen der Ausstellung.
Zum Abschluss des langen Rundgangs zeigte Eemeli seinen Gästen die Sammlungen des unlängst eröffneten Heimatmuseums von Ukonjärvi. Hier waren allerlei Gegenstände aus dem vorigen Jahrtausend zu bewundern: ein Elektrobohrer, mit dem beim Kirchenbau die Löcher für die Verbindungszapfen in die Balken gebohrt worden waren, ein digitaler Reisewecker, ein ramponierter Farbfernseher, eine elektrische Zahnbürste und ein Fön, ein Mopedgestell und natürlich Jaritapio Pärssinens erloschener Laptop. Diese Gegenstände aus alten Zeiten sorgten für allgemeine Belustigung. Was hatte man sich nicht alles im vorigen Jahrtausend für teures Geld angeschafft! Das größte Interesse erregte jedoch die Abschussvorrichtung für eine Atombombe, die die arabischen Piloten dem Museum geschenkt hatten. Man war sich einig, dass diese Sammlung spätestens ab dem Jahre 3000 das verdiente Interesse finden würde.
Schließlich stieg Eemeli Toropainen mit seiner Frau und den Ehrengästen noch in die Kutsche, um mit ihnen an dem heißen Augustabend zunächst in die Schnapsbrennerei und dann nach Kamulanmäki in den neu angelegten Wildschweinpark zu fahren. In der Schnapsfabrik hatten die Gäste Gelegenheit, an einer Verkostung teilzunehmen und dabei um die Wette zu raten, mit welchen Kräutern die jeweilige Sorte gewürzt war. Dazu war am Ufer des Sees ein Tisch aufgestellt, auf dem viele kleine Gläser standen, die randvoll mit den verschiedenen Schnäpsen gefüllt waren.
Den Test gewann souverän Bischof Ryteikköinen. Nicht einmal Severi Horttanainen konnte es mit ihm aufnehmen. Der Bischof rühmte sich denn auch, ein Kenner von Gewürzgärten zu sein.
Leicht angeheitert traf die Gesellschaft im Wildschweinpark ein. Man nahm auf Campingstühlen vor der Umzäunung Platz und beobachtete die Tiere, die neugierig näher kamen, um die Fremden zu bestaunen. Als kleinen Imbiss gab es für die Gäste Butterbrote mit Wildschweinfleisch. Bischof Ryteikköinen gestand, dass er zuletzt vor dem dritten Weltkrieg so üppig gegessen hatte.
»Apropos Krieg, bevor ich herkam, hörte ich, dass eine Million Hungusen durch Deutschland nach Belgien oder in eines dieser Länder marschiert sind«, plauderte der Bischof. »Sie hier in Ukonjärvi sind wohl weitgehend von Völkerwanderungen verschont geblieben?«, erkundigte er sich bei Eemeli Toropainen.
Eemeli bestätigte, dass fremde Völker in den Kriegsjahren den Frieden von Ukonjärvi kaum gestört hatten. Wenn man mal von den vierzigtausend Frauen absah, die seinerzeit das Gebiet der Gemeinde gestreift hatten, aber das war auch alles gewesen.
»Ja…, Sie leben hier in einer wahren Idylle«, bestätigte der Bischof.
Man kehrte ins Dorf zurück. In der Kirche von Ukonjärvi fand ein Messegottesdienst statt, es predigte Feldpröbstin Hillikainen, und als Liturg fungierte Bischof Ryteikköinen. An der Orgel saß Severi Horttanainen.
Zum Abschluss der Messetage bekam Eemeli Toropainen einen ungewöhnlich schweren Herzanfall.
38
Seppo Sorjonen ordnete für Eemeli Bettruhe an. Nach ein paar Tagen kam der Patient so weit zu Kräften, dass er aufstehen konnte. Sorjonen gab ihm Medikamente und schlug ihm eine Bypassoperation vor. Er, Sorjonen, könne nach all den Jahren, die er praktiziere, einen solchen Eingriff durchaus wagen, so glaube er.
Er führte Eemeli in den Speicher des Pfarrhauses, der bereits vor dem dritten Weltkrieg zum Krankenhaus umfunktioniert worden war. Dort gab es eine kleine Bettenstation für drei Patienten, und am anderen Ende des Gebäudes, durch einen Vorhang abgeteilt, einen Operationssaal. Dieser war nicht wirklich ein Saal – der Raum maß fünf mal fünf Meter –, doch Sorjonen fand ihn groß genug. Im Allgemeinen behandelte er dort kleinere Gebrechen. Seine chirurgische Laufbahn hatte er vor zehn Jahren damit begonnen, die Krampfadern der Bäuerin Matolampi zu operieren. Danach hatte er seine Künste weiter erprobt, indem er ein paar entzündete Blinddärme entfernt und Leistenbrüche operiert hatte. Auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie konnte er die Begradigung der abstehenden Ohren einiger Dorfbuben vorweisen.
Eemeli Toropainen musterte misstrauisch die Ausstattung des Operationsraumes. An der Decke hing eine helle Lampe. Somalischmied Josif Nabulah hatte den Operationstisch aus den
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