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Nördlich des Weltuntergangs

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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wahrhaft harmonisches Bild.
    Taina führte Eemeli auf den Friedhof von Hietaniemi. Dort gab es viele hungrige Eichhörnchen. Eemeli wollte gern das Grab des vor Weihnachten verstorbenen Mauno Koivisto sehen. Der ehemalige Präsident war neunundneunzig Jahre alt geworden. Sein Grabstein war aus rotem Granit und hatte eine wuchtige Form, die Vorderseite war glatt geschliffen. Auf dem Grabhügel lagen zwei vertrocknete Sträuße, der eine trug eine Vignette mit einem Gruß der Arbeitersparbank.
    In diesem Moment näherten sich zwei betagte Damen mit frischen Blumensträußen. Die eine war bestimmt an die hundert Jahre alt, und auch die andere war nicht mehr jung. Taina fing sofort an zu zischeln und zog Eemeli vom Grab weg.
    Es war Frau Tellervo Koivisto, die da herankam, gestützt von ihrer Tochter Assi. Die Frauen brachten rote Nelken zum Grab des Ehemannes und Vaters, Blumen waren schwer zu haben in diesen Krisenzeiten. Tellervo Koivisto übergab den Strauß ihrer Tochter, die ihn auf den Hügel stellte. Danach verbrachten die beiden Damen eine Schweigeminute am Grab. Taina rechnete schnell aus, dass Assi jetzt bereits über sechzig sein musste, Herrgott, wie schnell doch die Zeit verging.
    Die beiden stillen Damen verließen den Friedhof und gingen durch das Tor auf die Straße, wo sie in eine Kutsche stiegen. Ein Adjutant war nicht zu sehen. Assi nahm die Zügel. Eemeli fand, dass seine eigene Kutsche daheim in Ukonjärvi viel stattlicher aussah. Auch das Pferd der Koivistos machte nicht gerade den besten Eindruck. Vielleicht standen sich die alten Damen wirtschaftlich nicht gut? Da ging es ihnen wohl so wie den meisten anderen Leuten dieser Tage in Finnland.
    Bei diesen Gedanken erinnerte sich Eemeli an seinen geplanten Besuch im Finanzamt, den er umgehend antrat. Er monierte dort den Tragfähigkeitsindex für Ukonjärvi, der um mehrere Prozent heraufgesetzt worden war, angeblich wegen des raschen ökonomischen Wachstums der Gemeinde.
    Es zeigte sich, dass diese Entscheidungen seit dem vergangenen Herbst in Brüssel getroffen wurden. Eventuelle Beschwerden musste Eemeli also dorthin richten.
    Dafür erhielt Ukonjärvi die Kirchensteuer für die letzten Jahre erstattet. Nach den neuesten Bestimmungen brauchten die Kommunen keine Kirchensteuer mehr zu bezahlen. Der Beamte fragte Eemeli, ob er keine entsprechende Mitteilung erhalten habe. Wie dem auch sei, er bekam einen Beleg, der ihn berechtigte, hundert Fässer Pemmikan im Lager der staatlichen Beschaffungsstelle in Pasila in Empfang zu nehmen.
    Eemeli freute sich, denn mit der überraschenden Steuererstattung konnte er vielleicht die Bypassoperation bezahlen. Beschwingt machten er und Taina sich auf nach Pasila, um die Fleischfässer zu holen.
    Das Lager befand sich in einem alten Felsbunker, in den eine Wendeltreppe aus Metall hinabführte. Die Fahrstühle funktionierten nicht. Je tiefer die Eheleute hinunterstiegen, desto ekelerregender stank es. Als sie schließlich in der riesigen Halle ankamen, waren sie kurz davor, sich zu übergeben. Das Fleisch in den Fässern, die sie bekommen sollten, war verfault. Sie hätten die Steuererstattung schon vor Jahren abholen müssen.
    Eemeli weigerte sich, die stinkende Ware zu quittieren. Man händigte ihm ein fremdsprachiges Formular aus, mit dem er sich bei der Europäischen Kontrollkommission für verderbliche Lebensmittel beschweren konnte. Die Behandlung der Beschwerde würde vermutlich fünf bis sechs Jahre in Anspruch nehmen, wie man ihm sagte. Bis dahin wäre das Fleisch in noch schlimmerem Zustand.
    Die Toropainens ließen die Steuererstattung in der Halle stehen. Eemeli verzichtete auch auf die Beschwerde, denn wegen seiner Herzkrankheit würde er vermutlich den Tag gar nicht mehr erleben, an dem der Vorgang abgeschlossen wäre.
    Eemeli wollte wieder nach Hause, und sei es, um zu sterben. Er wollte auf keinen Fall für seine Gesundheit auf die Wucherpreise der Chirurgen eingehen. Erpressen ließ er sich nicht, und wenn er es mit dem Leben bezahlte.

39
    Während Eemeli und Taina Toropainen noch in Helsinki unterwegs waren, schleppte sich ein herzkranker Braunbär nach Ukonjärvi. Er stammte aus demselben Geschlecht wie jene Bärin, die einst den Postbeamten von Valtimo aufgefressen hatte, und war rein zufällig in gerader Linie verwandt mit dem grimmigen Tier, das die finnische Auswanderin Eveliina Mättö getötet hatte. Ursprünglich kamen die Petze aus Russland. Ihr Stammvater war zur Zeit der stalinistischen

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