Nomadentochter
wissen.
»Nein, es ist ein Balsam für dein Gesicht oder deine trockenen Füße – für die Haut eben.«
»Aber wenn es doch so gut riecht, warum kann man es dann nicht essen?«
»Man nimmt es für die Haut. Iss es bitte nicht.«
»Na gut, na gut, ich werde es nicht essen, aber
subuq ghee
ist viel besser als dieses Zeug. Man kann damit kochen und es gleichzeitig für die Haut verwenden. Was hast du sonst noch?«, fragte Mama und reichte mir achselzuckend den Tiegel.
Ich hielt ihr eine Flasche Johnson's Babyöl hin. »Hm – und das?«, fragte sie und drehte sie in der Hand hin und her.
»Das ist Öl. Du kannst damit dein Gesicht einreiben und deinen Körper, sogar deine Haare. Es dringt noch besser ein als Kakaobutter.«
»Aha«, meinte sie. Statt nur einen Tropfen herauszuholen, drückte sie jedoch so fest auf die Flasche, dass sich ein Schwall auf ihren Fußboden ergoss. Das erschreckte meine Mutter so sehr, dass sie aufsprang und die Flasche fallen ließ. »Was macht man damit?«, wollte sie wissen und rieb sich die Finger.
»Riech einmal daran«, empfahl ich. »Du kannst dich oder ein Baby damit pflegen.«
Meine Mutter schnupperte an ihrer Hand. »Oh!« Zustimmend schmatzte sie mit den Lippen. »Das riecht sehr gut. Es gefällt mir, Waris.« Sie verrieb sich das Öl auf den Armen, die im Schein der Lampe glänzten. »Ich werde es verstecken müssen.«
»Mama, nein«, beruhigte ich sie, »das ist nichts Besonderes, du kannst den anderen ruhig davon abgeben. Ich bringe dir so viel Babyöl mit, wie du haben möchtest.«
»Ich weiß ja gar nicht, wann ich dich wieder sehe – das Risiko gehe ich lieber nicht ein«, meinte sie. Sie trat zu ihrem kleinen Haufen von Habseligkeiten und begann, darin herumzukramen. Schließlich fand sie tief unten in einem Korb einen Schlüssel. Er gehörte zu einer alten Holzschachtel, in die sie das Babyöl vorsichtig hineingleiten ließ. »Das ist sehr kostbar, und hier drin ist es sicher verwahrt«, flüsterte sie mir zu und tätschelte die Schachtel, bevor sie sie wieder in die Ecke stellte.
Ich hatte ein paar kleine Spiegel und einen besonders schönen für meine Mutter mitgebracht, weil sie sich doch noch nie in einem Spiegel gesehen hatte. Sie sollte endlich einmal erfahren, wie schön sie ist. Die Leute sagen mir oft, ich sei schön – nun, wenn ich auch nur eine Spur der Schönheit meiner Mutter besäße, dann würde ich solchen Behauptungen vielleicht Glauben schenken. Allerdings habe ich mein Aussehen von ihr geerbt, und das hat mir lange Zeit dabei geholfen, mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich wickelte ihren Spiegel aus. Er hatte einen Silbergriff und war von geschnitzten Blumen umrankt. »Mama«, sagte ich, »dies hier ist etwas ganz Besonderes!«
»Hiiyea«, erwiderte sie. »Ich brauche nichts Besonderes, Waris.«
»Mama, komm und setz dich neben mich. Sieh, was ich dir mitgebracht habe.« Als ich ihr den Spiegel reichte, blickte sie zuerst verwirrt auf die falsche Seite und wusste gar nicht, was sie damit anfangen sollte. Ich drehte ihn um und hielt ihn ihr vor. »Sieh doch, wie schön du bist!« Als Mama ihr Spiegelbild sah, zuckte sie erschreckt zurück, weil sie dachte, da sei jemand. »Nein, Mama«, erklärte ich ihr, »da ist niemand. Das bist du!« Wieder hielt ich den Spiegel hoch. Sie betrachtete sich, dann schaute sie weg, hob ihre Augen und wandte abermals den Blick ab. Zaghaft berührte sie ihr Gesicht und ihre Haare mit den Fingern. Sie zog die Haut an ihren Wangen zurück, sah sich ihre Zähne an und drehte den Kopf. Lange Zeit musterte sie sich, dann stöhnte sie auf. »O Allah! Ich sehe so alt aus. Wie schrecklich! Ich wusste nicht, dass ich so aussehe!«
»Mama«, flüsterte ich, »wie kannst du das sagen?«
»Schaut doch her!«, brach es aus ihr heraus. Vorwurfsvoll blickte sie mich und Nhur an. »Was ist nur mit meinem Gesicht passiert? Ich war immer eine schöne Frau, aber dein Vater hat mir alles Leben ausgesaugt.« Sie drehte den Spiegel um und reichte ihn mir eilig zurück.
Da ich überrascht und verletzt zugleich war, wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Meine Mama heuchelt nicht. Sie sagt ihre Meinung geradeheraus – wie jetzt auch bei meinem Geschenk. Rasch packte ich es wieder in meine Tasche, damit sie es nicht mehr sehen musste. So etwas hätte ich ihr nicht mitbringen dürfen. Ich schämte mich und wäre den Spiegel am liebsten gleich losgeworden. Sie würde nichts annehmen, was sie nicht brauchte, weil Besitz im
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