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Nonnen

Nonnen

Titel: Nonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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mich
selbst?«
    Er kicherte so laut, daß die übrigen Leute in der
Straßenbahn ihn verständnislos anstarrten. Sollten Sie
nur! Wenn er eines Tages berühmt wäre, würden sie
sich voller Erregung daran erinnern, mit ihm zusammen in der
Straßenbahn gesessen zu haben. Er trat durch die dunkle
Toreinfahrt, überquerte den kleinen Hof und öffnete die
schwere Eisentür, die in die verwinkelte Halle führte.
Er kannte kein Antiquariat, das mehr Bücher beherbergte als
dieses. Hier war es herrlich; träumend stand er zwischen den
gleichgültig in Reih und Glied paradierenden
Bücherrücken.
    »Ah, der Herr Durst«, sagte Grassteiner, der sich
von seinem Stuhl hinter der Tür erhob und ihm die Hand
reichte. »Sie waren ja lange nicht mehr hier. Ich hoffe, es
geht Ihnen gut.«
    Plötzlich tat es Benno leid, daß er den
Buchhändler so schäbig charakterisiert hatte. Er war
immer zuvorkommend gewesen, und manchmal hatte er sogar einen
kräftigen Preisnachlaß gewährt. »Also eine
reine Erfindung«, sagte Benno.
    »Wie bitte?« fragte der Antiquar.
    »Nichts, nichts. Ich bitte um Verzeihung. Ich
möchte nur gern noch einmal bei Ihnen
stöbern.«
    »Oh, tun Sie das. Ich freue mich.«
    Dann ließ er Benno in Ruhe und verzog sich wieder auf
seinen Platz hinter der Tür. Benno schätzte die
Zurückhaltung des Herrn Grassteiner sehr. Er konnte solche
Buchhändler nicht leiden, die jedes beliebige Exemplar, das
ihnen in den Laden gekommen war, anpriesen wie Marktfrauen ihr
faulendes Obst.
    Benno entdeckte zunächst nichts, das ihn interessiert
hätte, nichts unter diesen Tausenden von Büchern. Er
erinnerte sich an seine Schilderungen in der Geschichte, und
wieder mußte er lachen. Herr Grassteiner sah ihn aus seiner
Ecke an, mit geneigtem Kopf. Aber er sagte nichts. Benno fand
schließlich doch etwas, einen Band mit phantastischen
Erzählungen von Lord Dunsay, und hocherfreut lief er zu dem
Antiquar und hielt ihm das Büchlein vor. Herr Grassteiner
ließ von dem eingeschriebenen Preis ein wenig nach und
sagte: »Vor kurzem habe ich eine sehr große
Bibliothek gekauft. Leider steht sie noch verpackt in meinem
Lagerraum. Aber wenn Sie in zwei oder drei Wochen wiederkommen,
gibt es für Sie bestimmt etliche Kostbarkeiten zu
entdecken.«
    Durch Bennos Körper fuhr ein krampfhafter Schmerz und
raubte ihm für einen Moment die Luft. Fast hätte er dem
Buchhändler von seiner Geschichte erzählt. Dann
erinnerte er sich daran, daß niemand mehr von seinen Werken
Kenntnis erhalten sollte. So behielt er die Vorstellung für
sich, daß diese noch in Kisten schlummernde Bibliothek
vielleicht eine handgeschriebene Kladde enthielt…
    »Es ist verrückt«, entfuhr es Benno, und er
schüttelte den Kopf.
    Der Antiquar mißverstand ihn und sagte: »Schade,
daß Sie dann nicht hier sein können. Aber wenn Sie
wollen, werfen Sie doch vorab schon einmal einen Blick in die
Kisten. Kommen Sie!«
    Bevor Benno etwas antworten konnte, war der Antiquar bereits
in den hinteren Räumen verschwunden. Benno folgte nach
kurzem Zögern. Es war so, wie er es sich vorgestellt hatte.
Wie er es beschrieben hatte. Kisten, Bananenkartons
hauptsächlich, bis unter die Decke gestapelt. Er erinnerte
sich plötzlich, vor langer Zeit schon einmal in diesem Raum
gewesen zu sein. Also entsprach seine Beschreibung einer –
wenn auch verschütteten – Erinnerung. Aber wie hatte
er die Kisten so sehen können? Er beruhigte sich damit,
daß es hier wahrscheinlich immer so aussah und auch dieses
Bild lediglich eine Erinnerung war. Erinnerung.
Erinnerung… Alles schien aus Erinnerungen zu bestehen.
Seine gesamte Phantasie, doch immer erst zu spät konnte er
sie zuordnen. Sein ganzes Leben – eine Erinnerung. Dieses
Wort war zu einem Hauptwort geworden. War er selbst nur eine
Erinnerung? Wer erinnerte sich an ihn? Lebte er noch ein eigenes
Leben? Was war das? Was zog ihn beständig zurück, als
wolle es ihn auf etwas aufmerksam machen? Auf einen ungeheuer
wichtigen Umstand, auf etwas, das er vergessen hatte und dessen
er sich erinnern mußte?
    Benno bemerkte erst jetzt, daß der Antiquar ihn
alleingelassen hatte. Nun gut, er wollte stöbern. Dort unten
in der am leichtesten zugänglichen Kiste fing er an. Das
erste, was er fand, war ein Buch über Humor; das zweite
eines über Ufos. Sein Herz begann zu hämmern, und
Schweiß bildete sich auf seinen Handflächen, er
ließ feuchte Spuren an den

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