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Nonnen

Nonnen

Titel: Nonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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wie ich noch nie einen
gehört habe. Er stammte mit Sicherheit von einem Menschen.
Doch vermag ich mir nicht vorzustellen, was einen Menschen dazu
veranlassen kann, einen solchen Laut von sich zu geben. Und
– er war ziemlich nahe gewesen! Gerade so, als hätte
sein Urheber nur ein paar Schritte neben mir gestanden. Ich
zuckte zusammen und blickte mich um. Ich sah nichts und
niemanden. Meine Kopfschmerzen wurden stärker.
    Am Abend lenkte ich mich mit der Lektüre eines spannenden
Kriminalromans ab, und die Kopfschmerzen ließen
tatsächlich nach. Ich versuchte nicht mehr an die Nonnen zu
denken. Doch am folgenden Morgen hatten sie sich wieder in meinen
Gedanken eingenistet. Konnte ich sie loswerden, wenn ich der
letzten verbliebenen Spur nachginge? Ich entschied mich
dafür, und schon am Abend war ich wieder in dem Altenheim am
Aachener Lindenplatz. Ich trat an die Rezeption und sah mit
Erleichterung, daß jemand anderes Dienst hatte. Es war ein
sehr junges Mädchen, das zu mir aufsah und mich freundlich
grüßte. Sie hielt mich wohl für einen Besucher.
Ich ließ sie in ihrem Glauben und ging freundlich nickend
an ihr vorbei direkt zu den Aufzügen. Natürlich wollte
ich nicht die Oberin aufsuchen. Wie aber sollte ich weitere
Informationen erhalten? Ich nahm mir vor, einfach eine Schwester
anzusprechen, die ihrem Alter nach in die Zeit der Vorfälle
passen könnte. Die erste, die ich fragte, verstand nicht,
worauf ich hinauswollte, ich mußte brüllen, so
schwerhörig war sie. Erst nach langem Hin- und Hergeschrei
sagte sie mir, daß sie nichts von den vier Schwestern
wisse, von denen nicht und auch nicht von einer Schwester
Adelgundis. Bei der zweiten hatte ich ebenfalls kein Glück.
Sie war gerade damit beschäftigt, das Abendessen auf den
großen Rollwagen abzuzählen und zu kontrollieren.
Nein, sagte sie, sie sei erst 1979 hierhergekommen, es täte
ihr leid, mich enttäuschen zu müssen. Vielleicht aber
könne mir die Stationsvorsteherin weiterhelfen. Sie
erklärte mir den Weg, und ich dankte ihr.
    Als ich durch die Gänge schritt, ließ mich jeder
Anblick einer Nonne zusammenzucken. Ihr schwarzes Habit, die
Hauben, die verschränkten Arme ängstigten mich;
jedesmal glaubte ich, daß sich jemand anderes dahinter
verberge.
    Endlich hatte ich das mit einer großen Scheibe vom Gang
abgetrennte Zimmer gefunden. Die Tür stand offen. Ich
klopfte trotzdem, und eine gebrechliche Nonne sagte mit leiser
Stimme: ›Kommen Sie nur herein:‹ Ich fragte sie
ohne Umschweife nach den vier Nonnen. Sie antwortete: ›Ja,
daran erinnere ich mich. Aber da gibt es nicht viel zu
berichten.‹ Ich war froh, daß sie sich nicht nach
dem Grund für meine Neugier erkundigte. ›Ich kann
Ihnen nur wenig sagen. Es ist allein Sache der Mutter Oberin,
hierüber Auskunft zu erteilen. Soll ich bei ihr vorsprechen
und Sie anmelden?‹ Ich verneinte. ›Ja, dann
befürchte ich, daß ich Ihnen nicht helfen
kann.‹ Und sie wandte sich wieder ihrer Tätigkeit zu.
Doch nur für wenige Augenblicke. Dann winkte sie mich in
einer Verschwiegenheit fordernden Geste ganz nahe zu sich und
flüsterte fast: ›Die vier waren von Gott
abgefallen.‹ Sie schaute sich um, ob jemand den Gang
entlangkäme, bevor sie fortfuhr: ›Manche von uns
waren erleichtert, als jener – jener Unfall
passierte.‹
    ›Und was geschah mit Schwester Adelgundis?‹ Ich
ertappte mich dabei, daß auch ich fast flüsterte.
    ›Die gehörte nicht richtig dazu, wollte es aber
immer. Ein irregeleitetes Schaf. Stand ganz im Bann der vier. Und
als sie gewahr wurde, was die Schrecklichen trieben, hat sie es
der Oberin gepetzt.‹ Die Stationsvorsteherin kicherte.
›Das war nur wenige Tage vor dem Brand.‹
    ›Kann ich mit Schwester Adelgundis sprechen?‹
fragte ich.
    ›Was wollen Sie denn von Schwester Adelgundis? Ich kann
Ihnen auch alles beschreiben, sogar in welcher Art sie
gotteslästerlich wurden.‹ Sie kicherte immer noch.
›Hantierten mit Kerzen und Kreuzen herum, in gar nicht
schicklicher Weise, wenn sie verstehen…‹
    ›Sagen Sie mir bitte, wo ich Schwester Adelgundis
finden kann.‹
    Die Stationsvorsteherin schwieg abrupt, richtete sich auf und
strich die Kutte glatt. ›Ich fürchte, das ist nicht
möglich. Adelgundis lebt nicht mehr unter uns. Ob sie
überhaupt noch lebt, weiß ich nicht. Sie hat uns bald
nach dem Feuer verlassen. Sie war es auch gewesen, die auf den
Brand aufmerksam

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