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Nora Morgenroth: Die Gabe

Nora Morgenroth: Die Gabe

Titel: Nora Morgenroth: Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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üblichen Anstandsregeln bei der Polizei nicht? Oder gehörte das hier zu den Verhörtechniken? Jedenfalls sah es nicht so aus, als betrachtete der Herr Kriminalhauptkommissar das Gespräch als beendet. Es sah so aus, als wartete er einfach ab, welchen Schwachsinn ich als nächstes von mir geben würde. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich mich zum letzten Mal so blamiert hatte.
    „Bitte setzen Sie sich doch noch einen kleinen Moment. Ich würde gern hören, was Sie zu sagen haben. Wir sind wirklich für jeden Hinweis dankbar.“
    Zu meinem eigenen Erstaunen folgte ich der Aufforderung. Ich nahm wieder Platz.
    „ Wissen Sie, mich hat dieser außergewöhnliche Fall lange Zeit beschäftigt. Ich möchte immer noch herausfinden, unter welchen Umständen Frau Abassian gestorben ist. Also sagen Sie mir bitte, was Sie wissen oder meinen zu wissen. Nichts kann so abwegig sein, dass es sich nicht trotzdem lohnen würde, es zu untersuchen.“
    Hast du eine Ahnung, dachte ich, aber gut, ich sage es jetzt, und dann gehe ich . Und wenn dieser Mann mich noch so lächerlich findet, ich muss ihn ja nie wieder sehen. Mehr kann ich für Yasmine nicht tun.
    „Nun, ich weiß, wie merkwürdig sich das für Sie anhören muss. Aber ich habe von Yasmine … von Frau Abassian geträumt. Immer wieder. Darum kenne ich den Mann, mit dem sie zusammen war. Oder kennen ist auch hier zu viel gesagt. Ich weiß von ihm. Mehr nicht.“
    „Oh.“
    Beinahe hätte ich laut aufgelacht, weil mein Gegenüber so perplex dreinblickte. Ich fragte mich, ob es eine spezielle Polizisten-Poker-Face-Technik gab und ob man sie erlernen konnte, jedenfalls hatte er seinen entgleisten Gesichtsausdruck schnell wieder unter Kontrolle.
    „Und wer ist der Mann, von dem Sie … den Sie gesehen haben? Können Sie mir seinen Namen nennen, kennen Sie ihn?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Das ist es ja, ich meine, ich kann Ihnen den Namen nennen, aber ich kenne ihn nicht, also nicht persönlich. Vor dem Traum hatte ich ihn noch niemals gesehen oder vielleicht schon, aber nicht bewusst. Und erst danach habe ich ihn in der Zeitung wieder erkannt.“
    Kommissar Lüdke zuckte nicht mit der Wimper, was mich fast noch stärker verunsicherte, als wenn er in Gelächter ausgebrochen wäre. Ich wusste ja selbst, wie idiotisch sich das anhörte. Eigentlich war es fast zum Lachen. Doch ich musste das jetzt zu Ende bringen. Der Kommissar wartete, als hätte er alle Zeit der Welt. Ich räusperte mich. Mein Hals war plötzlich wie ausgetrocknet.
    „ Van der Brelie. Er heißt John van der Brelie.“
    „Was? Sie meinen doch nicht … de n van der Brelie?“
    Ich nickte stumm.
    „Aber, das ist ja … wie kommen Sie denn nur darauf, dass Frau Abassian etwas mit dem Stadtrat zu tun hatte?“
    „Das habe ich schon gesagt.“
    Oliver Lüdke schüttelte den Kopf. Dann beugte er sich vor, schlug den Schnellhefter auf dem Tisch auf und blätterte in den Seiten. Schließlich lehnte er sich erneut zurück.
    „Wir haben bei unseren Recherchen keinen einzigen Hinweis darauf gefunden, dass Yasmine Abassian einen Herrn van der Brelie gekannt haben könnte. Und wir haben alle ihre privaten Kontakte rekonstruiert. Und die waren ziemlich überschaubar, das kann ich ihnen versichern. Sie hat eher zurückgezogen gelebt. Es tut mir leid.“
    „Dass es nicht in Ihrer Akte steht, das habe ich mir schon gedacht, sonst wäre ich ja nicht gekommen. Nun, ich habe Ihnen gesagt, was ich weiß, was Sie damit anfangen , ist Ihre Sache. Ich weiß auch, dass es sich lächerlich anhört. Trotzdem fand ich es wichtig. Entschuldigen Sie die Störung, ich gehe dann mal.“
    Doch anstatt aufzustehen , rührte ich mich nicht. Ich horchte in mich hinein und spürte, dass Yasmine bei mir war, was mich irgendwie tröstete. Wir würden einen anderen Weg finden. Was hatte ich denn erwartet? Dass die Polizei mit heulenden Sirenen losfahren würde, um John van der Brelie, den aufsteigenden Stern am politischen Himmel Vallaus, zu verhören, weil ich ihnen von meine m Trau m erzählt hatte?
    Unwillkürlich musste ich lächeln. Ich war eigentlich gar nicht so unzufrieden mit mir selbst. Ich hatte das getan, was ich in Anbetracht der Umstände tun konnte. Es gab nichts mehr zu sagen.
    Jetzt standen wir beinahe gleichzeitig auf und sahen uns über den Tisch hinweg an.
    „Frau Morgenroth … ich sehe ja ein, dass Ihnen diese Aussage wichtig genug war, dass Sie hierhergekommen sind. Aber ich brauche schon etwas mehr als

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