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Nora Morgenroth: Die Gabe

Nora Morgenroth: Die Gabe

Titel: Nora Morgenroth: Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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Moment überflutete Yasmine mich mit ihrer Sehnsucht und Liebe, sie floss durch mich hindurch und zwang mich, hinzusehen. Wir starrten ihn an. Er sah so gut aus, so stark und vertraut und gleichzeitig so fern, zwischen den anderen Hochzeitsgästen. Er strahlte uns aus dem Bild entgegen, an seiner Seite die Frau, hochschwanger jetzt, sehr blond und schön. Ich strich mit den Fingern über das Papier, als könnte ich dadurch sein Gesicht ertasten. Yasmine schluchzte auf. Ich spürte, wie die erste Träne über ihre Wange rann und wischte sie verstohlen fort. Ein vergeblicher Versuch. Der Schmerz wuchs, er breitete sich in Wellen aus. Sie war einfach untröstlich.
    Was hat er dir getan ?
    Yasmine weinte, als könnte sie nie mehr aufhören.
    „Ist Ihnen nicht gut, können wir Ihnen helfen?“
    Wie durch einen Schleier erkannte ich zwei junge Frauen am Nebentisch.
    „Was haben Sie denn?“
    „Nichts … nichts. Es geht schon.“
    „Sind Sie sicher? Hier nehmen Sie.“
    Die eine hielt mir eine Packung Papiertaschentücher entgegen, die sie aus ihrer Handtasche gekramt hatte. Ich nahm mir eines heraus und wollte den Rest zurückgeben. Sie schüttelte den Kopf.
    „Behalten Sie die mal . Sie sehen so aus, als könnten Sie sie heute noch brauchen.“
    Ich schnaubte kräftig aus, dann sammelte ich meine Sachen zusammen und verließ das Café, als wäre ich auf der Flucht. Draußen atmete ich auf. Dann fiel mir ein, dass ich den Latte Macchiato nicht bezahlt hatte und nahm mir vor, in nächster Zeit einen Bogen um das Café zu machen.
    Nach shoppen war mir jetzt nicht mehr. Ich lief ziellos durch die Straßen, ohne wirklich etwas zu sehen. Irgendwann stand ich vor de m Books & Mor e , ohne dass ich hätte sagen können, auf welchem Weg ich dort hingekommen war. Ich stieß die Eingangstür auf. Franka, die allein an der Saftbar saß, blickte von ihrem Buch auf. Sie sprang auf und kam auf mich zu.
    „Hey Nora, wie siehst du denn aus, hast du geweint? Und was machst du hier schon, es ist ja nicht mal elf. Kannst es wohl gar nicht abwarten, was?“
    Franka baute sich mit ihren knappen ein Meter fünfzig vor mir auf, allerdings balancierte sie wieder einmal auf diesen Plateausohlen, bei denen ich mich jedes Mal fragte, wie sie es schaffte, darauf den ganzen Tag herum zu laufen. Aber ohne diese Folterinstrumente hätte die junge Kollegin mir kaum bis zu den Schultern gereicht. Ihre strammen, aber wohlgeformten Beine steckten in schwarz und pink geringelten Leggins zu einem kurzen Rock. Oben herum trug sie ungeachtet der Witterung ein hautenges Top, das aussah wie ein Badeanzug. Franka zog die Unterlippe ein und ließ ihre kleine Zunge über das silberne Kügelchen gleiten, das ihre Haut zierte.
    „Ist es wieder entzündet?“, fragte ich, ging an ihr vorbei und ließ meine Tasche neben einen der sechs Barhocker fallen.
    „Nun lenk mal nicht ab. Was ist los, ist was mit deiner Schwester?“
    Ich schüttelte den Kopf und trat hinter den Tresen. Obwohl bereits alles sauber war, wandte ich der Kollegin den Rücken zu. Ich griff nach dem Lappen, der neben dem Spülbecken lag. Damit wischte ich schnell ein paar unsichtbare Flecken weg.
    „Alles gut, Franka, mir ist zuhause die Decke auf den Kopf gefallen, das ist alles. Frag einfach nicht weiter, ja?“
    „Ist ja gut.“
    In diesem Moment klingelte das Handy in den Untiefen meiner Umhängetasche. Froh über die Ablenkung, stürzte ich auf die andere Seite der Bar, nahm die Tasche hoch und riss die sperrigen Illustrierten heraus. Das Handy fand sich schließlich zwischen der Packung Papiertaschentücher und meinem Portemonnaie. Ohne auf die Kennung des Anrufers zu achten, drückte ich auf den grünen Knopf. Mit dem Telefon am Ohr trat ich an die Schaufensterauslage. Das kann ja wohl nicht wahr sein, dachte ich, als ich hinaus sah. Es fing schon wieder an zu schneien. Die Leute, die auf der Straße am Laden vorbeieilten, zogen die Köpfe ein, als würden sie dadurch auch nur eine Schneeflocke weniger abbekommen. Ich hatte gehofft, der Winter wäre endlich vorüber und mit dem Frühling würden wir alles, was in den letzten Monaten geschehen war, hinter uns lassen.
    „Hallo?“
    „Ich bin’s.“
    „Äh, wer?“
    „Na, ich. Daniel.“
    Das fehlte mir gerade noch.
    „Das kann ich ja nicht ahnen. Wie wäre es, wen du dich mit Namen meldest? Was willst du?“
    „Na sag mal … hab ich dir was getan?“
    Nein, dachte ich, nichts hast du getan, mir nur das Herz gebrochen.
    „ Gar

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