Nora Roberts
liebt.«
Shannon blickte wieder zu ihr hin und sah, daß Alice sie musterte. »Ich weiß. Ich glaube nicht, daß ich je einem – verwurzelteren Mann begegnet bin.«
»Und, sind Sie auch irgendwo verwurzelt, Shannon?«
»Ich mag New York«, sagte sie vorsichtig. »Aber als ich noch ein Kind war, sind wir oft umgezogen, so daß ich wohl nirgends richtig zu Hause bin.«
Alice nickte. »Eine Mutter macht sich immer Sorgen um ihre Kinder, egal, wie groß sie sind. Ich sehe, daß Murphy Sie liebt.«
»Mrs. Brennan.« Shannon hob die Hände, ehe sie sie wieder sinken ließ. Was sollte sie sagen?
»Sie denken, was soll ich nach Meinung dieser Frau wohl tun? Was soll ich ihr auf eine Frage antworten, die noch nicht einmal eine Frage war?« Alices Mund wies die Spur eines Lächelns auf. »Wir kennen einander kaum, und so kann ich Ihnen nicht einfach in die Augen sehen, um zu erkennen, was Sie für meinen Sohn empfinden oder was Sie in bezug auf Ihre Gefühle tun. Daß Sie etwas für ihn empfinden, ist klar. Aber ich kenne Murphy. Sie sind nicht die Frau, die ich für ihn ausgesucht hätte, aber diese Entscheidung trifft jeder Mann für sich allein.«
Sie sah Shannon lachend an. »Jetzt habe ich Sie beleidigt.«
»Nein«, sagte Shannon, die natürlich beleidigt war. »Sie haben schließlich durchaus das Recht zu sagen, was Sie denken.«
»Allerdings.« Lächelnd lehnte sich Alice in ihrem Schaukelstuhl zurück. »Und auch wenn ich nicht das Recht dazu hätte, würde ich es tun. Aber ich glaube, ich habe mich etwas undeutlich ausgedrückt. Eine Zeitlang, eine sehr kurze Zeitlang, dachte ich, daß er Maggie gewählt hat, und sosehr ich das Mädchen auch liebe, war ich mehr als besorgt. Sie hätten einander innerhalb eines Jahres umgebracht.«
Auch wenn es vollkommen idiotisch war, verspürte Shannon eine gewisse Eifersucht. »Murphy und Maggie?«
»Oh, ich glaube, die beiden haben, wenn überhaupt, nur flüchtig darüber nachgedacht. Dann dachte ich, daß er Brianna nimmt. Und dachte, daß sie die Richtige ist. Sie hätte ihm ein schönes Zuhause geboten.«
»Murphy und Brie«, brachte Shannon mühsam hervor. »Offenbar hat er die Runde gemacht.«
»Oh, das schätze ich auch, aber Brie war nicht dabei. Er liebt sie, wie er Maggie und seine eigenen Schwestern liebt. Ich war es, die ihn, weil ich ihn glücklich sehen wollte, im Geiste mit Brie zusammen sah. Wissen Sie, ich habe mir Sorgen gemacht, weil er schon fünfundzwanzig war und immer noch keins der Mädchen aus der Umgebung im Auge zu haben schien. Er hat auf den Feldern gearbeitet, seine Bücher gelesen, seine Musik gemacht, und ich dachte, daß ihm eine Familie fehlt. Eine Frau und Kinder, um die er sich kümmern kann.«
Shannon zuckte mit den Schultern, immer noch getroffen von den von Alice beschriebenen Szenarien. »Fünfundzwanzig ist heutzutage ziemlich jung zum Heiraten.«
»Das ist es«, pflichtete ihr Alice bei. »In Irland warten die Männer oft jahrelang, da sie wissen, daß es, wenn man sich einmal gebunden hat, kein Zurück mehr gibt. Weder Gott noch das Gesetz lassen eine Scheidung zu. Aber eine Mutter wünscht sich ein erfülltes Leben für ihren Sohn, und so habe ich ihn eines Tages beiseite genommen und ihm meine Sorgen mitgeteilt. Ich habe ihm gesagt, daB ein Mann nicht alleine leben, daß er nicht immer nur hart arbeiten soll, ohne daß er abends von einer liebenden Frau erwartet wird. Ich habe ihm gesagt, daß die kleine O'Malley ein Auge auf ihn geworfen hat, und ihn gefragt, ob sie ihm nicht vielleicht gefällt.«
Alice sah Shannon an, und ihr Lächeln schwand. »Er sagte, sie wäre wirklich hübsch, aber als ich ihn drängte, darüber nachzudenken, ob sie nicht vielleicht die Richtige wäre, ob er mit ihr nicht vielleicht die Erfüllung fände, schüttelte er den Kopf, nahm meine Hände und bedachte mich mit dem für ihn typischen ernsthaften Blick.
> Ma' < , sagte er, > Nell O'Malley ist nicht die Richtige für mich. Ich weiß, wer die Richtige ist. Ich habe sie schon gesehen. < « Alices Augen verrieten eine Gefühlsregung, die Shannon nicht verstand. »Ich war froh und fragte ihn, wer die Glückliche sei, und da erklärte er mir, er hätte sie selbst noch nicht kennengelernt. Aber trotzdem wüßte er, wer sie ist, denn seit er ein Junge war, hätte er sie immer wieder in seinen Träumen gesehen, und jetzt würde er nur darauf warten, daß sie kommt.«
Shannon schluckte und verlieh ihrer Stimme einen mühsam beherrschten Ton.
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