Nora Roberts
»Wenn nicht, lege ich dir Handschellen an.« Da sie ihrer eigenen Drohung mißtraute, nahm sie ihn vorsichtshalber auf den Arm. »Und was denkst du, Shannon?«
»Ich denke, daß ihr etwas Wunderschönes geschaffen habt, was ebenso beeindruckend ist wie die Galerien in Dublin und New York.«
»Das hier ist ein Zuhause«, sagte Maggie schlicht, während sie Liam in Richtung des Eingangs trug.
Shannon nahm den Duft der Rosen, der Pfingstrosen und des ordentlich gemähten, samtweichen Rasens wahr. Als sie das Haus betrat, sah sie, daß es tatsächlich ein Zuhause war, sorgsam eingerichtet und von einladender Eleganz.
An der Wand der Eingangshalle waren Gemälde und Bleistiftzeichnungen aufgehängt, in denen man die Gesichter und die Stimmungen der Menschen von Irland widergespiegelt sah. Der vordere Salon hingegen war, passend zu dem geschwungenen kleinen Sofa und den ruhigen Tönen des Raums, mit verträumten Aquarellen bestückt. Außerdem standen Skulpturen aus Maggies unvergleichlichem Glas, die Alabasterbüste einer jungen Frau und hübsche, kleine Elfen aus schimmerndem Holz herum. Der Boden wurde von einem leuchtend blauen, handgeknüpften Teppich verziert, und über der Rücklehne des Sofas lag ein dicker Überwurf.
Auch frisch geschnittene Blumen waren in Vasen aus schillerndem Glas und gebranntem Ton verteilt.
Als Shannon plötzlich ihr eigenes Gemälde an der Wand entdeckte, fuhr sie überrascht zurück, doch dann trat sie näher heran und starrte das Aquarell von Brianna an, als sähe sie es zum ersten Mal.
»Ich bin wirklich stolz, es hier zu sehen«, sagte Brianna neben ihr. »Maggie sagte mir, Rogan hätte drei deiner Bilder ausgestellt, aber daß dieses hier dazugehört, hat sie mir nicht gesagt.«
»Drei?« Shannon schwoll die Brust, und ihr Herz schlug zu schnell, als daß es noch angenehm war, doch da trat auch schon Maggie, die mit einem strampelnden Liam rang, hinter sie. »Zuerst wollte er nur den Tanz aufhängen, aber dann beschloß er, die anderen beiden dazu zu tun. Er will testen, ob deine Malerei dem Geschmack der Leute entspricht. Außerdem meint er, daß er durch eine kleine Kostprobe deiner Kunst das Interesse an deiner für den Herbst geplanten Ausstellung weckt. Für den Tanz hat man ihm bereits ein Angebot gemacht.«
»Ein Angebot?« Was auch immer in Shannons Brust angeschwollen war, kroch langsam, aber sicher in ihren Hals hinauf. »Jemand will ihn kaufen?«
»Ich glaube, er sagte irgendwas von zweitausend Pfund. Vielleicht waren es aber auch drei.« Sie zuckte mit den Schultern, als sie Shannons ungläubige Miene sah. »Natürlich will er mindestens doppelt soviel.«
»Doppelt soviel ...«, brachte sie halb erstickt heraus, ehe sie zu der Überzeugung gelangte, daß Maggie einen Scherz gemacht hatte, und den Kopf zu schütteln begann. »Fast hättest du mich reingelegt.«
»Der liebe Rogan ist eben ein gieriger Mann«, sagte Maggie und lächelte. »Ich sage ihm ständig, daß er unverschämte Preise verlangt, und es ist ihm das größte Vergnügen, mir stets zu beweisen, daß er diese Preise tatsächlich bekommt. Wenn er sechstausend Pfund dafür will, dann kriegt er sie auch, das verspreche ich dir.«
Der logische Teil von Shannons Hirn rechnete den Betrag in amerikanische Dollar um, während die Künstlerin in ihr geschmeichelt und gleichzeitig traurig war.
»In Ordnung, Junge«, sagte Maggie zu dem immer noch zappelnden Liam. »Jetzt ist dein Vater dran.« Sie marschierte mit ihm aus dem Raum und ließ Shannon mit Murphy vor dem Gemälde zurück.
»Als ich meinen Einjährigen verkauft habe«, setzte er mit leiser Stimme an, »brach es mir das Herz. Weißt du, er hat einfach zu mir gehört.« Als Shannon ihn ansah, lächelte er. »Ich war dabei, als er geboren wurde, und ging nicht eher, als bis er von seiner Mutter die erste Milch bekam. Ich habe ihn ans Zaumzeug gewöhnt und mir Sorgen gemacht, als er sich das Knie anstieß. Aber ich mußte ihn verkaufen und wußte es. Man kann nicht im Pferdegeschäft tätig sein, wenn man nicht verkauft. Und trotzdem brach es mir das Herz.«
»Ich habe noch nie etwas, was ich gemalt habe, verkauft. Ich habe meine Bilder verschenkt, aber das ist etwas anderes.« Sie atmete tief ein. »Ich wußte gar nicht, daß ich so etwas empfinden kann. Ich bin aufgeregt, überwältigt und unglaublich traurig zugleich.«
»Vielleicht hilft es dir zu wissen, daß Gray Rogan bereits gesagt hat, daß er ihm das Fell über die Ohren zieht, wenn er
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