Nora Roberts
höchste Zeit, daß sie zurück zum Blackthorn Cottage fuhr, damit Brianna ihr Auto wiederbekam.
Sie fand Brianna in der Küche vor. Zum ersten Mal, ohne daß sie arbeitete, ganz allein bei einer Tasse Tee.
»Ah, du bist wieder da.« Brianna zwang sich zu lächeln, stand auf und nahm eine zweite Tasse aus dem Schrank. »Hast du eine schöne Tour gemacht?«
»Ja, danke.« Shannon hängte die Autoschlüssel sorgsam an den Haken zurück. »Außerdem habe ich meine Malsachen gekriegt, so daß ich morgen ein paar Skizzen machen kann. Ich habe gesehen, daB draußen noch ein Wagen steht.«
»Gäste aus Deutschland. Sie sind erst seit einer Stunde hier.«
»In deiner Pension treffen sich wirklich Menschen aus aller Welt.« Shannon zog fragend die Brauen hoch. Auch wenn Brianna fast noch eine Fremde für sie war, erkannte sie, daß sie offensichtlich wegen irgend etwas in Sorge war. »Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte sie.
In einer Geste der Gewohnheit verschränkte Brianna die Hände im Schoß, ertappte sich dabei und löste sie wieder. »Würdest du dich bitte eine Minute zu mir setzen, Shannon? Ich hatte gehofft, ich könnte dir noch ein paar Tage Zeit lassen, ehe es dazu kommt. Aber – ich mache mir Sorgen.«
»Also gut.« Shannon setzte sich. »Schieß los.«
»Möchtest du etwas zu deinem Tee? Ich habe Plätzchen oder ...«
»Du versuchst, Zeit zu schinden, Brianna.«
Seufzend nahm Brianna wieder Platz. »Ich bin der geborene Feigling. Aber trotzdem komme ich wohl kaum um ein Gespräch über meine Mutter herum.«
Shannon rührte sich nicht, aber instinktiv hob sie gleichermaßen verteidigungs- wie angriffsbereit ihren inneren Schild. Aber ihre Stimme verriet die Veränderung, die mit ihr vorgegangen war. »In Ordnung. Wir wissen beide, daß ich nicht wegen der schönen Landschaft gekommen bin. Was willst du mir sagen?«
»Du bist wütend, was ich dir nicht verdenken kann. Und wenn ich fertig gesprochen habe, wirst du noch wütender sein.« Brianna starrte einen Augenblick lang in ihren Tee. »Negative Gefühle sind das, wovor mir am meisten graut, aber es läßt sich nicht ändern. Sie kommt her. Ich habe keine Entschuldigung mehr, mit der ich sie davon abhalten kann. Ich kann sie nicht belügen, Shannon, und so tun, als wärst du ein ganz gewöhnlicher Gast.«
»Weshalb solltest du auch?«
»Sie weiß nichts von der ganzen Sache.« Brianna sah Shannon verlegen an. »Sie weiß nichts von meinem Vater und deiner Mutter. Nichts von dir.«
Shannons Lächeln war kühl und dünn. »Glaubst du das wirklich? Soweit ich weiß, haben Frauen einen siebten Sinn, wenn es um die Seitensprünge ihrer Männer geht.«
»Das, was zwischen den beiden war, war wohl mehr als ein bloßer Seitensprung, und ja, ich glaube es. Wenn meine Mutter etwas davon gewußt hätte, hätte sie es sofort als Waffe gegen ihn benutzt.« Dieses Eingeständnis schmerzte und beschämte sie, aber sie hatte keine Wahl. »In meinem ganzen Leben habe ich nie auch nur einen Funken Liebe zwischen den beiden entdeckt. Nur kalte Pflicht. Und heißen Zorn.«
Shannon wollte diese Dinge weder hören noch verstehen, so daß sie nach ihrer Tasse griff und fragte: »Und weshalb sind sie dann all die Jahre verheiratet geblieben?«
»Ich nehme an, weil die Kirche es so verlangt«, überlegte Brianna. »Wegen uns Kindern. Aus Gewohnheit. Was weiß ich? Auf jeden Fall hat meine Mutter ihn gehaßt – und wenn ich ehrlich bin, muß ich zugeben, nicht ganz ohne Grund. Er konnte nie sein Geld zusammenhalten, wenn er überhaupt einmal mit Geld nach Hause kam. Aber Geld und das, was man damit kaufen kann, war – oder besser ist – sehr wichtig für sie. Sie war eine talentierte Sängerin mit allen Aussichten auf Erfolg, als sie ihm begegnete. Sie wollte immer mehr als ein kleines Haus und ein Stückchen Land. Aber irgendwie hat es zwischen den beiden gefunkt. Und mit diesem Funken wurde Maggie gezeugt.«
»Ich verstehe.« Offenbar hatten sie und ihre Halbschwester tatsächlich einiges gemein. »Also scheint er beim Sex gewohnheitsmäßig nicht sonderlich vorsichtig gewesen zu sein.«
Zum ersten Mal, seit Shannon Brianna kannte, blitzten deren Augen zornig auf. »Du hast kein Recht, so etwas zu sagen. Nein, selbst du hast kein Recht dazu, denn du hast ihn nicht gekannt. Er war ein herzensguter Mann. Mehr als zwanzig Jahre lang hat er seine eigenen Träume hintangestellt, um seine Kinder großzuziehen. Er hat Maggie geliebt, wie ein Vater sein Kind nur lieben
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