Nora Roberts
sehen, daß es für die beiden keine solche Liebe gab. Tom hat sie geliebt.« Bei der Erinnerung leuchteten Murphys Augen auf. »Seine Mädchen waren sein größtes Glück. Aber Maeve war anders. Und ich denke, je mehr er die beiden liebte, um so entschlossener wurde sie, es nicht zu tun. Ich schätze, daß das ihre Art war, die Familie, sich selbst eingeschlossen, dafür zu bestrafen, daß sie an sie gebunden war.«
»Sie scheint eine gräßliche Person zu sein.«
»Ich denke, unglücklich ist das bessere Wort.« Er hob ihre Hand an seinen Mund und küßte sie auf eine geistesabwesende Art, wie sie eigentlich nur langjährigen Vertrauten zu eigen war. »Du selbst bist ebenfalls unglücklich, Shannon. Aber du bist stark und klug genug, um dafür zu sorgen, daß deine Trauer irgendwann Teil deiner Erinnerung wird.«
»Ich weiß nicht, ob ich das bin.«
»Aber ich weiß es.« Er stand auf und streckte die Hand nach ihr aus. »Laß uns reingehen. Es ist schon eine ganze Weile ruhig, so daß ich denke, wir sollten dem Feind ins Auge sehen.«
Sie ließ sich von ihm auf die Füße ziehen, doch dann blieb sie stehen. »Diese Sache geht mich nichts an, Murphy, und ich denke, daß es vielleicht für alle Beteiligten das beste ist, wenn ich mich heraushalte und warte, bis sie wieder geht.«
Er sah sie reglos an. »Steh deinen Schwestern bei, Shannon. Wenn du dich davor drücken würdest, wären sowohl ich als auch du selbst von dir enttäuscht.«
»Verdammt.« Sein Blick gab ihr das Gefühl, schwach zu sein, und dafür schämte sie sich. »Also gut. Ich gehe rein. Aber das schaffe ich auch allein.«
»Ich komme trotzdem mit.« Ohne ihre Hand loszulassen, führte er sie zum Haus.
Es war lächerlich, daß sie Furcht empfand, schalt Shannon sich selbst. Nichts, was diese Frau sagte oder täte, träfe sie. Aber ihre Muskeln waren verkrampft und ihre Schultern starr, als sie, gefolgt von Murphy, die Küche betrat.
Ihr erster Gedanke war, daß die Frau nicht gerade wie ein Opfer aussah. Ihre Augen blitzten zornig, und ihr Gesicht wies die harten Falten eines gnadenlosen Richters auf. Ihre unberingten Hände hatte sie in einer frommen Geste vor sich auf der Tischplatte gefaltet, doch das Weiß ihrer Knöchel verriet, wie angespannt sie war.
Die rundliche Frau neben ihr hatte ein wesentlich freundlicheres Gesicht, und ihr Blick verriet, wie besorgt sie war. Die beiden Schwestern standen Schulter an Schulter und bildeten, von ihren Ehemännern flankiert, eine Mauer, die unmöglich zu durchbrechen war.
Maeve bedachte Shannon mit einem wütenden Blick und verzog zornig das Gesicht. »Und ihr wagt es, sie hierher zu bringen, in dieses Haus, während ich hier bin?«
»Es ist mein Haus«, erwiderte Brianna in eisig ruhigem Ton. »Und Shannon ist hier ebenso willkommen, wie du es bist, Mutter.«
»Wie ich es bin? Du stellst mich auf eine Stufe mit ihr? Mit diesem Produkt des Ehebruchs, den dein Vater begangen hat? Ist dies die Art, in der du mir, der Frau, die dich geboren hat, deinen Respekt und deine Loyalität erweist?«
»Auch wenn du uns geboren hast, hast du uns seither nicht einen Atemzug gegönnt«, brach es aus Maggie heraus.
»Daß du so sprichst, überrascht mich nicht«, richtete Maeve ihren Zorn auf ihre älteste Tochter. »Du bist genau wie sie. In Sünde empfangen.«
»Oh, spar dir deine Bibelsprüche«, winkte Maggie ab. »Du hast ihn nie geliebt, also hast du auch kein Mitgefühl verdient.«
»Ich habe geschworen, ihm stets treu zu sein, und diesen Schwur habe ich gehalten bis zu seinem Tod.«
»Und trotzdem warst du ihm nie eine gute Frau«, murmelte Brianna. »Was geschehen ist, ist nun mal geschehen, Mutter.«
»Maeve.« Lottie streckte die Hand nach ihr aus. »Das Mädchen trifft keine Schuld.«
»Sprich nicht von Schuld. Was für eine Frau lockt wohl den Mann einer anderen in ihr Bett?«
»Eine Frau, die liebt, denke ich.« Shannon trat vor und schob sich unbewußt näher an ihre Schwestern heran.
»Und Liebe entschuldigt jede Sünde? Liebe entschuldigt es, daß man der Kirche trotzt?« Maeve wäre von ihrem Stuhl gesprungen, aber ihre Beine zitterten, und in ihrem Herzen empfand sie einen unerwarteten Schmerz. »Etwas anderes hätte ich von einem Menschen wie Ihnen nicht erwartet. Eine Amerikanerin, noch dazu erzogen von einer Ehebrecherin.«
»Wagen Sie es nicht, schlecht von meiner Mutter zu sprechen.« Shannons Stimme hatte einen drohenden Unterton. »Niemals. Sie hatte mehr Mut, mehr
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