Nora Roberts
Oberhand gewann. »Murphy, nicht lange, und sie wird wieder dorthin fliegen, woher sie gekommen ist.«
»Nicht, wenn ich sie zum Bleiben überreden kann.«
Sie packte seine Hände, als brächte ihn die Berührung zur Vernunft. »Du weißt doch überhaupt nicht, wer sie ist.«
»Manche Dinge weiß man, ehe man sie sich erklären kann.« Er erwiderte ihren Händedruck, denn das Band, das es zwischen ihnen beiden gab, war fest und stark. »Ich habe mein Leben lang auf sie gewartet, Maggie, und endlich ist sie hier. So sieht die Sache für mich aus.«
Als sie die Gewißheit in seinen Augen sah, machte sie ihre eigenen Augen zu. »Du hast den Verstand verloren. Und ich kann ihn dir nicht wiedergeben, sosehr ich es auch will.«
»Das kann wohl niemand. Noch nicht einmal du.«
Sie stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Also gut dann, wenn du gefallen bist und mit gebrochenen Knochen am Boden liegst, komme ich und pflege dich. Und jetzt will ich Liam nach Hause bringen, Sweeney. Laß uns gehen.« Den schlafenden Jungen auf dem Arm, erhob sie sich von ihrem Stuhl. »Ich werde dich nicht bitten, ihn zur Vernunft zu bringen«, fügte sie, an Gray gewandt, hinzu. »Männer sind blind, wenn es darum geht, hinter ein attraktives Äußeres zu schauen.«
Als sie sich umdrehte, sah sie, daß Shannon von der Toilette gekommen und von den Conroys aufgehalten worden war. Sie bedachte sie mit einem bösen Blick, den diese erwiderte, ehe sie mit ihrem Sohn den Pub verließ.
»Sie haben mehr gemeinsam, als sich jede der beiden eingestehen will.« Gray beobachtete, wie Shannon in Richtung der sich schließenden Pubtür starrte, ehe sie sich wieder dem Gespräch mit den beiden Alten widmete.
»Und ich glaube, genau diese Gemeinsamkeiten sind der Grund, weshalb es zwischen den beiden keinen Frieden gibt.«
Gray nickte, ehe er wieder zu Murphy sah. »Und, ist es tatsächlich ihr hübsches Gesicht?«
Mehr aus Gewohnheit als aus Verlangen klimperte Murphy auf seiner Konzertina herum. »Zum Teil.« Er verzog den Mund zu einem Lächeln, aber sein Blick war unergründlich und distanziert. »Ich habe lange darauf gewartet, dieses Gesicht wiederzusehen.«
Sie würde sich von Maggie nicht unterkriegen lassen, versprach sich Shannon, als sie später an diesem Abend die Treppen zu ihrem Zimmer erklomm. Die Frau hatte einen Detektiv auf sie angesetzt, hatte sie ausspioniert, und nun, da sie versuchte, offen genug zu sein, um den Concannons von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten, gab Maggie ihr das Gefühl, ein unerwünschter Eindringling zu sein.
Nun, sie würde bleiben, solange es ihr, verdammt noch mal, gefiel. Ein paar Wochen, überlegte sie. Vielleicht drei. Und niemand triebe sie mit kühlen Blicken und herablassenden Bemerkungen in die Flucht. Margaret Mary Concannon würde es schon merken, sie war aus härterem Holz geschnitzt.
Und dieser Farmer würde sie ebenfalls nicht einschüchtern, nein. Charme und gutes Aussehen waren Waffen, vor denen sie sich nicht fürchtete. Sie hatte in ihrem Leben zahlreiche charmante, gutaussehende Männer gekannt.
Vielleicht noch keinen, der Murphys Stil besaß oder der so eigenartige Gefühle in ihr zu wecken verstand, aber auch diese Dinge ließen sie – einigermaßen – kalt.
Sie betrat ihr Zimmer, legte ihre Kleider ab, kletterte ins Bett und zog die Decke bis zum Kinn. Der Regen hatte die Luft nur unmerklich abgekühlt, aber es war gemütlich und erfüllte sie mit einer beinahe kindlichen Freude, wie sie, das Trommeln des Regens im Ohr und die dampfende Tasse Tee, die ihr von Brianna geradezu aufgedrängt worden war, in der Hand, unter den weichen Daunen lag.
Morgen würde sie die Umgebung erforschen, versprach Shannon sich. Sie würde ihren Stolz überwinden und den Wagen benutzen, würde ihre Malutensilien finden, sich vielleicht ein paar Ruinen und ein paar Läden ansehen. Sie war oft genug mit ihren Eltern gereist, um sich vor der eigenständigen Erkundung eines fremden Landes nicht zu ängstigen.
Ganz im Gegenteil sehnte sie sich geradezu danach, endlich einmal einen Tag lang allein zu sein, ohne daß jemand jede ihrer Bewegungen beobachtete oder versuchte zu ergründen, was für ein Mensch sie war.
Sie schmiegte sich noch tiefer in die Kissen und dachte über die Menschen nach, denen sie hier begegnet war.
Brianna, das Heimchen am Herd. Junge Mutter, junge Ehefrau. Und Geschäftsfrau zugleich. Effizient und talentiert. Warmherzig, sicher, aber mit einer gewissen Sorge im
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