Nora Roberts
Augen«, murmelte sie. »Was ein sicheres Zeichen dafür ist, daß ich gehen muß.«
»Meine Hände sind frisch gewaschen, so daß du nicht schmutzig wirst, wenn ich dich küsse.«
»Ich mache mir keine Sorgen wegen irgendwelchem Schmutz, sondern wegen – ach, egal. Aber laß deine Hände dort, wo ich sie sehen kann. Ich meine es ernst.«
Gehorsam drehte er die Handflächen nach oben, doch dann machte sein Herz einen Satz, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihm einen Kuß auf die Wange gab.
»Danke für den Tee und die Schulter.«
»Beides bekommst du jederzeit wieder, wenn du es willst.«
Seufzend trat sie einen Schritt zurück. »Ich weiß. Du machst es mir schwer, vernünftig zu sein.«
»Feeney kann warten, falls du lieber unvernünftig bist.«
Sie mußte lachen. Kein Mann hatte sie je auf eine solche Weise gebeten, mit ihm ins Bett zu gehen. »Ich glaube, ich male lieber weiter an meinem neuen Bild.«
Sie verließ das Haus durch die Hintertür und wandte sich dem inzwischen vertrauten Weg über die Felder zu. »Shannon Bodine.«
»Ja.« Lachend drehte sie sich um und beobachtete rückwärts gehend, wie er ebenfalls das Haus verließ.
»Malst du etwas für mich? Etwas, das mich an dich erinnert?«
»Vielleicht.« Sie winkte, wirbelte auf dem Absatz herum und eilte in Richtung von Blackthorn davon.
Im Garten hinter der Pension hielt Kayla in einer Wiege unter dem von Murphy für sie gepflanzten Mandelbäumchen einen Mittagsschlaf. Ihre Mutter zupfte Unkraut aus einem nahegelegenen Blumenbeet, und ihr Vater gab sich die größte Mühe, sie dazu zu überreden, daß sie ihre Arbeit zugunsten einer ganz anderen Beschäftigung liegenließ.
»Das Haus ist leer.« Gray strich mit seinen Fingern über Briannas Arm. »Sämtliche Gäste sind zu irgendwelchen Sehenswürdigkeiten unterwegs. Das Kind schläft.« Er schob sich ein wenig näher, nagte sanft an Briannas Hals und fühlte sich ermutigt, als er merkte, wie sie wohlig erschauderte. »Komm ins Bett, Brianna.«
»Ich habe zu tun.«
»Die Blumen laufen dir nicht weg.«
»Ebensowenig wie das Unkraut.« Ihre Nerven vibrierten, als er mit der Zungenspitze über ihren Nacken glitt. »Ah, guck dir das an. Fast hätte ich eine Aster ausgerupft. Jetzt verschwinde und ...«
»Ich liebe dich, Brianna.« Er fing ihre Hände und küßte sie.
Ihr Herz und ihr Leib schmolzen dahin. »Oh, Grayson!« Sie schloß die Augen, als er verführerisch mit seinem Mund über ihre Lippen strich. »Das können wir nicht machen. Shannon kommt bestimmt jeden Augenblick zurück.«
»Uh-oh. Meinst du, daß sie sich nicht vielleicht denken kann, wie Kayla entstanden ist?«
»Darum geht es nicht.« Doch noch während sie sprach, schlang sie ihre Arme um seinen Hals.
Er zog die erste Nadel aus ihrem Haar. »Worum geht es dann?«
Es gab eine ganz einfache, allgemeingültige Sache, um die es ihr immer ging. »Ich liebe dich, Grayson.«
In diesem Augenblick bog Shannon gut gelaunt ums Haus. Ihre erste Reaktion auf die Turteltauben war amüsierte Verlegenheit, doch dann wurde ehrliches Interesse an der Szene daraus.
Es war ein liebliches, romantisches Bild. Der Säugling, der unter einer hell rosafarbenen Decke schlief, die Blumen, die blühten, die Wäsche, die im Hintergrund auf der Leine hing. Und der Mann und die Frau, eng umschlungen auf dem Gras.
Schade, dachte sie, daß sie ohne den Skizzenblock unterwegs gewesen war.
Offenbar hatte sie irgendein Geräusch gemacht, denn Brianna hob den Kopf, sah sie und errötete.
»Tut mir leid. Tschüs.«
»Shannon.« Noch während sich Shannon zum Gehen wandte, stand Brianna auf. »Mach dich nicht lächerlich.«
»Doch«, sagte Gray, als Shannon zögerte. »Mach dich lächerlich. Sei pikiert und hau ab.«
»Grayson!« Entrüstet schob Brianna seine Hände fort. »Wir – ich habe gerade Unkraut gezupft.«
Shannon sah sie grinsend an. »Das habe ich gesehen. Ich glaube, ich mache am besten einen Spaziergang.«
»Du kommst doch gerade erst von einem Gang zurück.«
»Dann laß sie eben noch mal gehen.« Gray stand ebenfalls auf, schlang Brianna seine Hände um den Leib und bedachte Shannon mit einem vielsagenden Blick. »Laß dir ruhig Zeit.« Ohne auf die halbherzige Gegenwehr seiner Frau einzugehen, zog er ihr die zweite Nadel aus dem Haar. »Oder besser noch, nimm meinen Wagen. Du kannst ...« Als Kayla zu jammern begann, stöhnte er.
»Sie braucht eine frische Windel.« Brianna entglitt ihm und trat an die Wiege.
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