Nora Roberts
was immer du bist. Und der sicherste Weg,
dich jetzt zu verlieren, wäre der, es dir zu gestehen. Die Augen schließend,
legte sie ihren Kopf an seine Schulter. Du wunderst dich bestimmt, wie deine
Selbstbeherrschung so weit schwinden konnte, dass du mit mir ins Bett gegangen
bist, folgerte sie mit instinktiver Zielsicherheit. Und du fragst dich bereits,
wie du verhindern kannst, dass dies noch einmal passiert. Aber ich werde
dich nicht verlieren. Dieser Schwur nahm feste Formen an, als ihre Hand
über seine Brust strich. Du kommst mir nicht aus, Slade. Da kannst du kämpfen,
so viel du willst. Mit federleichten Berührungen hauchte sie eine Spur Küsse
von seiner Schulter bis zum Halsansatz.
»Jess.«
Slade legte ihr die Hand ans Gesicht, um sie zu stoppen. Er konnte keinen
klaren Gedanken fassen, wenn sie ihn berührte. Und wenn er einen Weg aus diesem
Treibsand finden wollte, in dem er zu versinken drohte, musste er nachdenken.
Jessica
küsste die Finger, die ihre Lippen erreichen konnten, und legte dann den Mund
an seine Wange. »Halt mich fest«, flüsterte sie. »Nimm mich in deine Arme.«
Nur mit
größter Willensanstrengung widersetzte sich Slade der mit heiserer Stimme
vorgebrachten Bitte und den samtweichen Lippen, die es darauf anlegten, ihm das
Gehirn zu vernebeln. »Jessica, das wäre nicht klug. Wir müssen ...«
»Ich will
auch nicht klug sein, Slade«, unterbrach sie ihn und stützte sich auf die
Ellbogen, so dass ihr Gesicht über dem seinen schwebte, ihre Lippen über seinem
Mund. »Sag nichts mehr, nicht heute Nacht.« Als sie mit den Fingerspitzen an
seiner Seite entlangstrich, spürte sie, wie ein Schauder durch seinen Körper
fuhr, der nicht seinem Willen unterworfen war. »Ich will dich.« Ihre Zunge
berührte seine Unterlippe. »Und du willst mich. Alles andere zählt heute Nacht
nicht.«
In der
Dunkelheit sah er die helle Wolke ihres Haars, ihre Haut, die blass im
Mondlicht schimmerte, und die Schatten, die ihre Wangenknochen warfen. Er sah
das Feuer in ihren Augen glühen, ehe ihr Mund den seinen berührte.
6
Slade erwachte an Jessicas Seite. Sie war
tief in einen erschöpften Schlaf versunken, ihr Atem ging langsam und
regelmäßig. Unter dem Fächer ihrer gesenkten Wimpern lagen dunkle
Schatten. Sein Arm umfasste ihre schlanke Taille; im Schlaf hatte er sich
verraten, indem er sie dicht bei sich spüren wollte. Sie hatten sich ein
Kopfkissen geteilt. Er verbrachte etliche Minuten damit, sich selbst zu
verfluchen, ehe er sich leise aus dem Bett rollte. Jessica rührte sich nicht.
Er schnappte sich seine Jeans, ging in sein eigenes Zimmer und direkt unter die
Dusche.
Dort drehte
er absichtlich nur den Kaltwasserhahn auf. Hatte er sich nicht in der
vergangenen Nacht genug an ihr gelabt?, fragte er sich ärgerlich, während das
eiskalte Wasser wie spitze Nadeln auf seine Haut niederprasselte. Musste er mit
dem Gedanken aufwachen, dass er sie schon wieder begehrte? Und zwar mit einem
so unwiderstehlichen Heißhunger, der mit seinem Job kaum vereinbar war. Slade
musste sich immer wieder und wieder einhämmern, dass Jessica ein Job war, nur
ein Job.
Und in dem
kurzen Telefonat am Abend zuvor hatte er genug erfahren, um zu wissen, dass
Jessicas Position noch heikler war, als er bis dahin angenommen hatte. Jemand
suchte etwas in ihrem Haus – jemand, dem sie vertraute. Zu wissen, wer dieser
Jemand war, reichte nicht aus. Slade musste herausfinden, was er suchte.
Beziehungsweise das FBI musste es herausfinden, korrigierte er sich grimmig. Er
durfte sie von jetzt an keine Sekunde mehr aus den Augen lassen, bis die
Geschichte geklärt war.
Warum,
verdammt noch mal, erlaubten sie ihm nicht, Jessica von hier wegzubringen?,
dachte er und merkte, dass er schon wieder vor Wut zu kochen begann. Der Befehl
über das Telefon war eindeutig gewesen und hatte keine Diskussion zugelassen.
Jessica blieb. Die Ermittlungen durften nicht gefährdet werden, indem man sie
frei herumspazieren ließe. Sie musste hier bleiben, wiederholte Slade
schweigend. Und er musste die nächsten vierundzwanzig Stunden an ihr kleben wie
eine Klette. Was natürlich nicht bedeutete, dass er auch mit ihr schlafen
musste, ermahnte er sich eindringlich, während er den Kopf unter den eisigen
Wasserstrahl hielt. Und es bedeutete auch nicht, dass er sich so intensiv mit
ihr einlassen durfte, dass er darüber den Grund seines eigent lichen Hierseins
vergaß. Aber wie, zum Teufel, sollte er es anstellen, mit ihr unter einem Dach
zu
Weitere Kostenlose Bücher