Nora Roberts
und die Schultern, wo
sich die Verspannung festgesetzt hatte. Später dann würde er in seinem Bett
schlafen, und zwar allein.
Als er auf
die Küchentür zuging, bemerkte er auf einmal, dass sich
der Türknauf drehte. Rasch trat er zurück in den Schatten und wartete, jeder
Muskel seines Körpers in höchster Bereitschaft gespannt.
Halb neun. Jessica warf wieder einen
Blick auf die Uhr, während sie nervös in ihrem Zimmer auf und ab ging. Weder
das heiße Bad noch das Apirin hatten sie soweit beruhigt, dass sie an Schlaf
auch nur denken konnte. Wenn Slade doch heraufkommen würde, dachte sie,
schüttelte aber gleich darauf den Kopf. Sie wurde viel zu abhängig von ihm, und
das sah ihr gar nicht ähnlich. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass es ihre
Nerven beruhigen würde, wenn sie nur das monotone Geräusch seiner
Schreibmaschine hören könnte.
Eine Stunde
nach der anderen, rief sie sich in Erinnerung und warf abermals einen Blick auf
die Uhr. Sie hatte es von sieben bis acht Uhr geschafft, aber bis neun hielt
sie nicht mehr durch. Sie seufzte resigniert und machte sich auf den Weg nach
unten.
Wenn er
sich aufregte, würde sie einfach das Beste daraus machen. Dazu verurteilt zu
sein, im Haus zu bleiben, war schon schlimm genug, da musste sie nicht auch
noch in ihrem Zimmer hocken. Sie war beinahe soweit, freiwillig noch ein paar
dieser dämlichen Karteikarten auszufüllen – alles, nur um ihre Hände zu
beschäftigen, bis ...
Ihre
Gedanken brachen ab, als sie den Fuß der Treppe erreichte. Zum zweiten Mal
waren die Türen zum Salon geschlossen. Ein kalter Schauder lief ihr über den
Rücken und drängte sie dazu, auf der Stelle kehrt zu machen und zurück in ihr
Zimmer zu gehen und so zu tun, als habe sie es nie verlassen. Sie war schon
dabei, sich umzudrehen, als sie innehielt.
Hatte sie
Slade nicht gesagt, er solle ihr keine Vorschriften machen? Das hier war ihr
Haus, sagte sie sich. Was immer in diesem Haus geschah, betraf in erster Linie
sie. Sie holte tief Luft, öffnete die Tür zum Salon und knipste das Licht an.
Slade stand einsatzbereit im Dunkeln und
wartete ab, während die hintere Küchentür leise geöffnet wurde. Zunächst sah
er nur einen Schatten, doch die Umrisse kamen ihm bekannt vor.
Erleichtert trat er ins Mondlicht, das von draußen hereinfiel. Erschrocken
wirbelte David herum und fluchte.
»Sie haben
mich zu Tode erschreckt«, keuchte er vorwurfsvoll und ließ die Tür hinter sich
zufallen. »Was treiben Sie hier im Stockfinsteren?«
»Ich habe
nur die Schlösser überprüft«, gab Slade leichthin zurück.
»Bin gerade
erst heim gekommen«, brummte David. Nachdem er das Licht angeschaltet hatte,
ging er an den Herd. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Danke.«
Slade setzte sich im Reitersitz auf einen umgedrehten Küchenstuhl und wartete
ab, was David ihm erzählen würde.
Der letzte
Bericht von Brewster besagte, dass David mit der Sache nichts zu tun hatte. Man
hatte die neuesten Computer mit seinem Namen, seiner Beschreibung und den
Fingerabdrücken gefüttert und ihn seit einem Monat rund um die Uhr beschattet.
David Ryce war genau das, was er zu sein schien – ein junger, etwas aufsässiger
Mann mit einem Faible für Zahlen und einer Liebe zu Antiquitäten. Außerdem
unterhielt er eine, wie er wohl meinte, diskrete Beziehung zu einer
Medizinstudentin. Slade erinnerte sich an Brewsters beinahe väterliche
Belustigung über Davids Schwärmerei.
Obwohl
Slade ein schlechtes Gewissen hatte, weil er Jessica über Davids absolut weiße
Weste im Ungewissen hielt, entschied er, dass sie genug damit zu tun hatte,
ihre Nerven unter Kontrolle zu halten. Besser, sie verdächtigte beide Männer
der Untreue, als sicher zu sein, dass Michael Adams bis zum Hals in diese
Schmuggelaffäre verwickelt war.
»Michael.« Jessica starrte ihn fassungslos an,
begriff die Wahrheit, wollte sie aber nicht glauben.
»Jessica.«
Er stand vor dem Sekretär, hielt abmontierte Teile davon in der Hand und
suchte panisch nach einer glaubhaften Erklärung für seine Anwesenheit und sein
Tun. »Ich wollte dich nicht stören. Ich hoffte, du würdest schon schlafen.«
»Ja, das
glaube ich dir aufs Wort.« Mit einem leisen, enttäuschten Seufzer schloss sie
die Tür hinter sich.
»Mit dem
Sekretär gab es ein Problem«, begann Michael. »Ich wollte ...«
»Bitte,
lass es.« Jessica ging an den Barschrank, goss zwei Fingerbreit Brandy in ein
Glas und kippte ihn hinunter. »Ich weiß von dem Schmuggel, Michael«,
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