Nora Roberts
sitze«, wies sie
ihn zurecht.
Ȇber dem
Laden«, wiederholte er und vergegenwärtige sich das Gebäude in Gedanken. Zwei
Stockwerke, ja, das war richtig. »Drei große Fenster nach vorn und drei nach
hinten raus«, sagte er laut. »Müsste eigentlich gutes Licht haben. Wie groß ist
sie?«
»Fünfundachtzig
Quadratmeter. Sie besteht nur aus einem großen
Zimmer, einer kleinen Küche und einem Bad.«
»Das könnte reichen. Sehen wir sie
uns einmal an.«
»Wie bitte?«
»Zeigen Sie
mir die Wohnung. Vielleicht bin ich interessiert.«
Sie ließ
die Schlüssel in ihrer Hand ungeduldig klirren. »Sie wollen, dass ich Ihnen die
Wohnung jetzt zeige?«
»Sie wollen
keinen Wohnraum verschwenden, warum dann Zeit?« Er öffnete ihr die Autotür.
»Ich fahre hinter Ihnen her. Es wird nicht lange dauern«, fügte er breit grinsend
hinzu. »Ich bin ein Mann schneller Entschlüsse.«
Vier
Und ich
bin eine Frau, die
gern schnell ein Urteil fällt, dachte Dru, als sie auf dem Parkplatz des Pubs
zurücksetzte. Sie hatte Seth Quinn nämlich bereits in eine Schublade gesteckt.
Ein
talentierter Mann und ein selbstbewusster dazu. Das eine bedingte
wahrscheinlich das andere. Die Tatsache, dass seine rauen Kanten hier und da
geschliffen waren, übte eine gewisse Faszination aus – was er mit Sicherheit
nur allzu gut wusste.
Und für
seine Zwecke einsetzte.
Er war
attraktiv. Er besaß eine schlanke, fast schlaksige Statur, die dafür geschaffen
zu sein schien, alte Jeans zu tragen. Dazu das üppige, glänzende, blonde Haar,
vollkommen glatt und nie so recht frisiert. Die hohlen Wangen, die lebhaften
blauen Augen. Nicht nur lebhaft, was die Farbe anging – sein Blick war von
einer unglaublichen Intensität. Wenn der Mann einen ansieht, hat man den
Eindruck, als sehe er etwas, was niemand sonst zu sehen vermag, nicht einmal
man selbst, dachte Dru.
Es war
schmeichelhaft, aufregend und ärgerlich zugleich. Auf jeden Fall ging dieser
Mann ihr nicht mehr aus dem Kopf.
Frauen
schienen für ihn wie die Farben auf einer Palette zu sein. Hier ein Tupfer und
da ein Tupfer, wie es ihm gerade gefiel. Und wie er sich an die Blondine in
der Bar herangemacht hatte? Das war Dru sofort aufgefallen, als sie durch die
Tür getreten war.
Und wie er
die Kellnerin angelächelt hatte, diese blöde Terri! Mit einem warmen und
freundlichen Blick hatte er sie angesehen, in dem ein Hauch von Intimität lag.
Ein sehr wirkungsvolles Lächeln, aber bei ihr würde er damit keine Chance habe.
Männer, die
wie ein Schmetterling von einer Frau zur nächsten flatterten, waren zu
gewöhnlich für Drus Geschmack.
Und
trotzdem saß sie nun hier in ihrem Auto und fuhr zum Laden zurück, um ihm die
Wohnung im ersten Stock zu zeigen, während sie eigentlich viel lieber in ihr
schönes, ruhiges Haus zurückgekehrt wäre.
Aber es war
natürlich vernünftiger so. Es machte keinen Sinn, die Räume leer stehen zu
lassen. Und doch hatte es sie maßlos geärgert, dass er einfach davon ausgegangen
war, dass sie sich sofort die Zeit nehmen würde, nur weil er es so wollte.
Einen
Parkplatz zu finden war um diese Zeit an einem kühlen Frühlingsabend kein
Problem mehr. Es war gerade einmal neun Uhr, aber der Hafen lag beinahe
verlassen da. Nur wenige Boote waren dort vertäut, schaukelten in der Strömung,
und ein paar Leute – wahrscheinlich Touristen – machten einen Spaziergang im
blassen Mondlicht.
Ach, wie
sehr sie dieses Hafenviertel liebte! Sie hatte beinahe vor Freude geheult, als
es ihr gelungen war, das Gebäude für ihren Laden zu erstehen. Zu wissen, dass
sie von nun an, wann immer es ihr gefiel, nach draußen treten und einen Blick
auf das Wasser, die Krebspuhler, die Touristen werfen und die feuchte Luft auf
ihrer Haut spüren konnte?
Dru genoss
es, in St. Chris zu leben und zu arbeiten. Und sie war stolz darauf dass es
ihre eigene Entscheidung gewesen war, und sie sich von niemandem mehr etwas
vorschreiben ließ.
Es wäre
wahrscheinlich vernünftiger gewesen, die obere Wohnung selbst zu nutzen. Aber
sie hatte ganz bewusst die Entscheidung getroffen, nicht im gleichen Haus zu leben,
in dem sie auch arbeitete. Was, wie Dru zugeben musste, während sie von der
Market abbog, um zur Rückseite des Gebäudes zu gelangen, eine sehr praktische
Entschuldigung dafür gewesen war, dass sie ein Haus außerhalb des Trubels
suchte. Ein eigenes Haus, direkt am Wasser, das ganz ihren Wünschen entsprach.
Das Haus in
Georgetown hatte sich nie wie ihr eigenes
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