Nora Roberts
Aubrey
damit zum Lachen. »Vielleicht später. Jetzt hätte ich gern erst einmal ein Glas Wein.
Oh, und das da in der Tüte sind übrigens Plätzchen. Mom hat gestern welche
gebacken. Mit ganz vielen Schokoladenstückchen. Schmecken irre gut. Geht's zur
Küche in diese Richtung?«
»Ja.« Dru
seufzte und folgte ihr. Es war wohl am besten, zu versuchen, einfach mit dem Strom
zu schwimmen.
»Du bist ja
eine ganz Ordentliche«, sagte Aubrey, nachdem sie einen kurzen Blick in die
Runde geworfen hatte, und öffnete die Hintertür. »Mann, das ist ja großartig!
Da hast du ja deine eigene kleine Insel. Wirst du als Stadtmensch denn nicht
verrückt so ganz allein?«
»Nein.
Obwohl ich diese Bedenken am Anfang auch hatte«, erwiderte Dru. Sie setzte die
Tüte auf der Arbeitsplatte ab und holte eine Flasche Pinot Grigio hervor.
»Aber so ist es ganz und gar nicht. Ich lausche dem Wasser und den Vögeln und
dem Wind. Mir gefällt es hier. Ich brauche die Stadt nicht. Und an dem ersten
Morgen, als ich hier oben in dieser herrlichen Ruhe aufwachte und die Sonne
durch die Fenster schien, da wurde mir klar, dass ich die Stadt eigentlich nie
gebraucht habe. Ich habe mir nur von anderen Leuten einreden lassen, dass es so
wäre.«
Sie goss
Wein in zwei Gläser. »Sollen wir uns auf die Veranda setzen?«
»Oh ja, das
wäre prima. Ich bringe die Plätzchen mit.«
Und so
tranken sie herben Weißwein und aßen selbst gebackene Plätzchen, während die
Sonne langsam hinter den Bäumen verschwand.
»Oh«, –
Aubrey schluckte ihren Wein hinunter – »ehe ich es vergesse, Seth und ich haben
einen Pakt geschlossen, niemandem von dem großen Experiment zu erzählen.«
»Dem ...
oh, ich verstehe.«
»Ich glaube
allerdings nicht, dass du zählst, schließlich hast du Seth erst auf die Idee
gebracht – auf eine gewisse Art zumindest. Aber da ich mich ja nun einmal
verplappert habe,
bleibt mir nichts anderes übrig, als dich um die Ecke zu bringen – es sei denn,
du schwörst mir, niemandem davon zu erzählen.«
»Muss ich
bei diesem Schwur in irgendeiner Form Blut lassen?«
»Ich
erledige das für gewöhnlich mit Spucke.«
Dru dachte
zwei Sekunden lang darüber nach. »Ich würde es vorziehen, keine
Körperflüssigkeiten auszutauschen. Reicht dir auch mein Wort?«
»Na klar.«
Aubrey nahm sich ein weiteres Plätzchen. »Leute wie du halten, was sie
versprechen.«
»Leute wie
ich?«
»Ja. Mit
erstklassiger Kinderstube«, sagte sie. »Du hast bestimmt einen hervorragenden
Stammbaum.«
»Ich werde
es einfach einmal als Kompliment nehmen.«
»Klar. Du
strahlst dieses > Ich bin viel zu kultiviert und wohlerzogen, um eine große
Sache daraus zu machen < aus. Und du bist immer perfekt gestylt. Ich
bewundere das, obwohl ich es gleichzeitig hasse. Aber es ist ja nicht so, als
wärst du irgendein Modepüppchen. Du siehst einfach immer gut aus.«
Aubrey
hielt in ihrem Redefluss inne und schluckte. »Oh, hör zu, nicht, dass du
meinst, ich würde versuchen, dich anzubaggern. Ich steh auf Jungs. Ehrlich.«
»Verstehe.
Dann hat es wohl keinen Sinn, wenn wir beide auch ein großes Experiment
machen, nehme ich an?« Daraufhin herrschte Stille, bis Dru zwei Sekunden später
lachend herausprustete. Sie musste sich zurücklehnen und sich die Seiten
halten, weil sie ihr vor lachen wehtaten. »Dein Gesicht – einfach unbezahlbar!
Das ist das erste Mal, dass ich dich sprachlos erlebe.«
»Das war
gut.« Aubrey nickte ihr anerkennend zu und griff nach ihrem Weinglas. »Das war
verdammt gut. Vielleicht entscheide ich mich ja doch noch, dich zu mögen.
Hast du
eigentlich vor, Seth das Aquarell von dir abzuschwatzen, wenn es fertig ist?«
»Ich weiß
es nicht.« Würde er es überhaupt jemals beenden?, fragte sie sich. Würde er
sie noch einmal mit diesen Augen sehen, oder war er zu wütend auf sie? Nein,
er würde das Bild beenden, entschied sie. Der Künstler in ihm ließ ihm keine
andere Möglichkeit.
»Wenn ich
du wäre, würde ich es ihm abschmeicheln.«
»Ich
glaube, ich würde mir etwas seltsam dabei vorkommen, ein Bild von mir selbst
an die Wand zu hängen. Außerdem durfte ich es mir noch gar nicht anschauen. Er
war zu wütend auf mich.«
»Ja, er
wird ziemlich stur, wenn er sauer ist. Hör zu, ich werde dir einen Rat geben.«
Ohne Dru aus den Augen zu lassen, stützte Aubrey ihre Ellenbogen auf den Tisch.
»Wenn du mit ihm sprichst, solltest du nicht weinen, sondern tapfer gegen
deine Tränen ankämpfen, sodass deine Augen anfangen
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