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Nora Roberts

Nora Roberts

Titel: Nora Roberts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Quinn 4 - Ufer der Hoffnung
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wieder verspäten.
    Sie kam
immer zu spät. Dadurch wollte sie ihm nur noch deutlicher machen, dass sie die
Oberhand hatte.
    Seth
bestellte einen Kaffee, von dem er wusste, dass er ihn nicht trinken würde.
Aber er benötigte ihn als Requisite. Die Zehntausend lagen in einer alten
Segeltuchtasche auf dem Sitz neben ihm.
    Auf einem
Barhocker an der Theke saß ein Mann mit Schultern wie ein Kleiderschrank. Sein
Nacken war von der Sonne gerötet, und sein kurz geschnittenes Haar stand so
schnurgerade in die Höhe, dass es messerscharf wirkte. Er trug eine Jeans, und
die Tabaksdose, die er offenbar normalerweise in seiner Gesäßtasche trug,
hatte einen weißen Kreis in dem ausgebleichten Denim hinterlassen. Er aß seinen
Apfelkuchen nach Art des Hauses mit einer Konzentration, die einem Chirurgen,
der eine schwierige Operation durchführt, zu Ehre gereicht hätte.
    Die
Waylon-Jennings-Melodie, die aus einer Jukebox in der Ecke schmalzte, war genau
nach Seths Geschmack.
    Die
Kellnerin hinter der Theke trug Bonbonrosa. Ihr Name stand in Weiß über ihrer
rechten Brust. Sie nahm eine Kanne Kaffee von der Warmhalteplatte, ging
fröhlich auf den Kuchenesser zu und füllte seine Tasse nach.
    Seth sehnte
sich nach seinem Zeichenblock.
    Da er ihn
nicht dabei hatte, fertigte er im Kopf eine Skizze an, um sich die Zeit zu
vertreiben. Die Thekenszene – in leuchtenden Grundfarben. Und das Paar, das an
einem Tisch in einer Nische saß und den Eindruck erweckte, als wäre es den
ganzen Tag mit dem Wagen unterwegs gewesen und nun hundemüde. Die beiden aßen
schweigend, aber einmal reichte die Frau dem Mann das Salz, worauf dieser kurz
ihre Hand drückte.
    Seth hätte
das Bild Am Straßenrand genannt. Oder vielleicht auch An der Route
13. Er entspannte sich allmählich, während ihm diese Gedanken durch den
Kopf gingen.
    Dann kam
Gloria zur Tür herein, und das Bild in seinem Kopf verblasste.
    Sie war
unglaublich mager geworden. Er sah, wie sich die Sehnen an der Seite ihres
Halses unter der Haut und ihre kantigen Hüftknochen unter der engen roten Hose
abzeichneten. Sie trug Stöckelschuhe ohne Ferse, die gegen ihre
Füße schnalzten und auf dem schäbigen Linoleumboden klapperten.
    Glorias
Haar war in einem so hellen Blond gefärbt, dass es beinahe weiß wirkte. Sie
trug es kurz und fransig geschnitten, was die Magerkeit ihres Gesichts nur
noch mehr betonte. Tiefe Falten hatten sich um ihren Mund und um die Augen
eingegraben. Das Make-up, das sie aufgelegt hatte, vermochte dies nicht zu
verbergen.
    Sie war
noch keine Fünfzig, wirkte aber um einiges älter.
    Sie
schlüpfte auf die Bank gegenüber von ihm. Er roch ihr Parfüm – es war stark und
blumig. Entweder verdeckte es den Whiskeygeruch, den sie üblicherweise an sich
hatte, oder sie hatte sich vor ihrem Treffen mit dem Trinken zurückgehalten.
    »Dein Haar
war beim letzten Mal länger«, sagte sie, und wandte sich dann zur Seite, um die
Kellnerin mit einem Lächeln zu bedenken, das ihre Zähne aufblitzen ließ. »Was
für Kuchen haben Sie heute Abend?«
    »Apfel,
Kirsch, Zitronen-Baiser.«
    »Dann nehme
ich ein Stück Kirsch mit Vanilleeis. Was ist mit dir, Seth, mein Liebling?«
    Schon
allein ihre Stimme brachte ihn auf die Palme. »Ich will nichts.«
    »Wie
schade. Haben Sie auch Schokoladensoße?«, fragte sie die Kellnerin.
    »Sicher.
Wollen Sie die auch?«
    »Gießen Sie
sie einfach über das Eis. Und bringen Sie mir einen Kaffee. Und jetzt zu dir.«
Gloria lehnte sich zurück und legte einen Arm über die Rückenlehne der Bank.
Obwohl sie so mager war, begann ihre Haut bereits zu erschlaffen. »Ich dachte,
du würdest in Europa bleiben und mit den kleinen Italienerinnen spielen. Aber
wahrscheinlich hattest du Heimweh. Und wie geht es all den glücklichen
Quinns? Was macht meine liebe Schwester Sybill?«
    Seth hob
die Tasche vom Sitz neben sich und beobachtete, wie sich Glorias
Aufmerksamkeit darauf richtete, als er sie vor sich auf den Tisch legte. Aber
als sie danach griff, schloss er die Faust um den Griff.
    »Nimm das
hier und verschwinde. Wenn du auch nur Anstalten machst, dich jemandem von
meiner Familie zu nähern, wirst du dafür bezahlen. Und zwar eine ganze Menge
mehr als hier in dieser Tasche ist.«
    »So spricht
man aber nicht mit seiner Mutter.«
    Sein
Tonfall blieb eiskalt. »Du bist nicht meine Mutter. Das warst du nie.«
    Sie klopfte
sich auf den Bauch. »Neun Monate hab ich dich hier drin getragen? Ich hab dich
zur Welt gebracht. Du bist mir was

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