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Noras Erziehung

Noras Erziehung

Titel: Noras Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Belle
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würde meinen Zustand ganz bestimmt bemerken, wenn wir erst mal im Haus wären.
    Wir gingen zu dritt in die Küche, wo er zunächst die Einkäufe einräumte. Französisches Brot, das noch warm war und köstlich roch, Fleisch und Käse, dazu ein paar Flaschen Cidre.
    Violet kannte kein Erbarmen, warf ihre Sachen auf ein Sofa und küsste James. Danach sagte sie einen Satz, der eine dunkle Röte auf mein Gesicht und auf meine Brust trieb. «Die kleine Göre hat uns heimlich beobachtet. Dafür gehört sie übers Knie gelegt.»
    «Hey, warte mal   …»
    James schaute auf, und ich brach meine Entgegnung mit knallrotem Gesicht ab.
    «Lässt du dich gern übers Knie legen, Nora?», fragte er mich, plötzlich zum vertraulichen Du wechselnd.
    Doch noch bevor ich meine Stimme wiederfand, beantwortete Violet die Frage für mich. «Ja, allerdings. Das macht sie richtig geil.»
    «Nein, tut es nicht», begann ich abwehrend zu stammeln. «Ich bin noch nie in meinem Leben übers Knie gelegt worden. Und ich werde ganz sicher nicht jetzt damit anfangen. Ich weiß ja, dass ihr beide darauf steht, aber   … also, ich weiß nicht   … Ich meine, ich habe doch so was wie Selbstachtung.»
    James schloss die Kühlschranktür und stand auf. Violet hatte gerade etwas sagen wollen – vielleicht, dass sie auch jede Menge Selbstachtung besaß   –, und ich hatte sofort das Gefühl, falsch reagiert zu haben. Doch James brachte sie mit einer Geste zum Schweigen und wandte sich an mich. Seine Stimme klang geduldig, hatte aber auch einen leicht genervten Unterton. «Da bin ich ganz sicher. Aber in diesem Fall verwechselt du Selbstachtung mit Konformität zur gesellschaftlichen Norm. Ich gebe dir mal ein Beispiel. Als wir uns das letzte Mal sahen, trugst du einen knielangen Rock und eine Bluse. Heißt das, dass es dir an Selbstachtung fehlt?»
    «Äh   … nein, natürlich nicht. Ich kam schließlich grade von meinem Seminar.»
    «Und ich nehme nicht an, dass John Etheridge schockiert von deinem Aufzug war?»
    «Nein, natürlich nicht.»
    «Gut. Und jetzt stell dir mal vor, das Ganze wäre hundert Jahre früher in der ausgehenden edwardianischen Epoche passiert. Wärst du damals so bei einem Dozenten im St.   Boniface College erschienen, hätte er dich aufs Schärfste zurechtgewiesen. Damals wurde das College nur von Männern besucht, und wenn sie ab und zu Besuch von Frauenhatten, dann waren diese niemals allein, und ihre Kleider bedeckten den Körper vom Hals bis zum Fuß. Du hättest also allein dagestanden, die Hälfte deiner Beine sichtbar und mit mehr Ausschnitt, als selbst das frivolste Abendkleid es damals zugelassen hätte. Da wäre der Dozent selbstverständlich der Meinung gewesen, dass es dir an jeglicher Selbstachtung mangelt. Und zwar, weil du ohne Anstandsdame durch ein Männer-College wanderst und wegen der Art, wie du dich kleidest.»
    «Das mag sein.»
    «Ohne jeden Zweifel. Und jetzt denk mal an Sex. Vor nur fünfzig Jahren wäre es ziemlich schockierend gewesen, dass eine weibliche Studentin ganz offen vorehelichen Sex mit ihrem Freund hat. Aber heutzutage zuckt bei so etwas niemand auch nur mit der Wimper. Und bei Schlägen auf den Hintern ist es nicht viel anders. Die Gesellschaft um uns herum behauptet, es wäre absolut unpassend für eine Frau, sich aus purem sexuellem Vergnügen den Po versohlen zu lassen. Doch selbst das ändert sich nach und nach. Bei, sagen wir, einem Parlamentsmitglied würde es Hohn und Spott nach sich ziehen, wenn er zugeben würde, auf erotische Schläge zu stehen. Aber für einen Filmstar wäre es nur noch ein bisschen peinlich und mehr nicht. Andererseits war das Hinternversohlen damals eine ganz übliche Strafe, wohingegen es heute als Missbrauch und Körperverletzung eingestuft wird.»
    «Okay. Die Einstellung der Menschen ändert sich also mit der Zeit.»
    «Und du begreifst, dass sie das weiterhin tun wird?»
    «Natürlich.»
    «Wieso lässt du dich also von den moralischen Werten der heutigen Zeit einschränken? Wieso schaffst du dir nichtdeine eigenen Moralvorstellungen? Weil du Angst hast, von der Gesellschaft geächtet zu werden?»
    «Ja, anscheinend. Ich will Karriere in der Politik machen, und da muss ich sehr vorsichtig sein.»
    «Das ist sicher klug, aber akzeptierst du denn wenigstens das, was ich über Selbstachtung gesagt habe? Schließlich genießt es Violet, übers Knie gelegt zu werden. Heißt das automatisch, sie hätte weniger Selbstachtung als du?»
    Er hatte mich in

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