Noras großer Traum (German Edition)
davonmachte, während er noch ein paar Fotos schoss.
Nora lachte erleichtert und betrachtete das farblich perfekt an seine Umwelt angepasste Tier, von dessen Körper gebogene Stacheln, die in der Form Rosendornen ähnelten, in Rotbraun, Goldgelb und Hellbeige abstanden.
»Na, der ist jedenfalls harmlos. Ich glaube, diese Eidechsenart heißt Dornteufel.«
Martin schnaubte verächtlich. »Wie ein Ausbund an Freundlichkeit sieht das Vieh aber nicht aus. Komm, lass uns zum Wagen gehen, sonst holt er noch seine Mutter.«
Lachend kehrten sie zum Auto zurück. Als Nora jedoch das Heck umrundet hatte, um auf ihrer Seite einzusteigen, blieb sie plötzlich wie angewurzelt stehen. Martin, der seine Tür bereits geöffnet hatte, sah zu ihr hin. »He, was ist los?«
Nora rührte sich nicht. Sie war aber leichenblass geworden. Ihre Augen waren starr auf etwas am Boden gerichtet.
Martin beobachtete sie abwartend.
»Hahaha. Du willst mich doch jetzt auf den Arm nehmen, oder?« Auf Noras Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet, und sie zeigte immer noch keine Regung. Martin wurde nun doch unruhig und ging ebenfalls vorsichtig um den Wagen herum. Gleich darauf stockte ihm der Atem. Vor Nora bewegte sich wellenförmig eine Schlange auf dem Boden und hatte sich drohend aufgerichtet. Martin war sofort stehen geblieben.
»Nicht bewegen, Nora!«
Offenbar einer plötzlichen Eingebung folgend, schlängelte sich das Tier endlich über den Highway und den roten Sand des Seitenstreifens hinweg auf das Spinifexgras und die freie Ebene zu. Nora wischte sich mit einer Hand die Stirn und musste einen Moment die Augen schließen. Martin war hinter sie getreten und nahm ihren Arm.
»Komm, steig jetzt bloß ein. Ich finde, das reicht für heute.«
Schnell ging er um den Wagen herum und warf sich ebenfalls auf seinen Sitz. Er griff nach der Wasserflasche und reichte sie ihr. Nachdem sie einen Schluck getrunken hatte, kehrte etwas Farbe in ihr Gesicht zurück. Auch er nahm einen Schluck und sagte dann grinsend: »Danke für deine Idee, hier eine Pause einzulegen. Ich habe mich schon lange nicht mehr so lebendig gefühlt.«
Beide lachten erleichtert, und Martin lenkte den Wagen wieder auf den Highway.
Als sie schließlich nach geraumer Zeit vom Highway abbogen, und sich dem extra außerhalb des Nationalparks angelegten Touristenresort Yulara näherten, spürte Nora schon wieder gespannte Erwartung.
Sie hatten vor, sich in Yulara Zimmer für zwei Nächte zu suchen und dann noch die etwa zwanzig Kilometer zum Uluru zu fahren, um vielleicht schon einen der spektakulären Sonnenuntergänge zu erleben. Nora wurde zunehmend nervöser, als es erst im dritten Anlauf klappte, eine Unterkunft zu finden. Selbst außerhalb der Saison schienen der Ayers Rock und die Olgas Publikumsmagneten zu sein, was ihre Hoffnungen auf eine ruhige Annäherung an dieses Stück Zeitgeschichte schwinden ließ.
Eilig legten sie in den Hotelzimmern ihr Gepäck ab, machten sich frisch und trafen sich wieder vor dem Hotel, um zu ihrer ersten Begegnung mit dem mehrere hundert Millionen Jahre alten Monolithen aufzubrechen. Auf der Fahrt schwiegen sie beide, jeder von ihnen schien in Gedanken versunken. Noras Stimmung war verhalten bis skeptisch. Sie hatte den Uluru – der für sie der Inbegriff der australischen Ureinwohnerkultur war – schon so oft und eingehend auf Fotos betrachtet, dass sie nun die Sorge befiel, dass er in Wirklichkeit ihren Ansprüchen nicht mehr gerecht werden konnte.
Doch dann, als sie sich in der Abendstimmung diesem Berg näherten, der sich einfach majestätisch aus der ihn umgebenden, scheinbar unendlichen Ebene erhob, zog er sie sofort in seinen Bann. Nora vermochte den Blick nicht mehr abzuwenden. Auch wenn die Dämmerung noch nicht eingesetzt hatte, konnte man doch bereits das Abendlicht wahrnehmen, das die Umgebung schon in einen goldenen Schimmer tauchte.
Nachdem sie den Parkeingang passiert und den Eintrittspreis bezahlt hatten, lenkte Martin den Wagen auf einen der Parkplätze am Fuße des Uluru. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, der um den Berg herumführte. Sie schwiegen beide, und Nora sah sich um und staunte. Sie konnte es irgendwie nicht fassen, dass sie wirklich hier war. Ihnen war klar, dass sie die gesamte Strecke des Pfades heute nicht schaffen würden. Ohne darüber gesprochen zu haben, verspürten jedoch beide den Wunsch, sich durch das Herumgehen und Schauen davon zu überzeugen, dass sie sich tatsächlich hier
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