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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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sprichst du eigentlich? Sie ausgraben? Das Kind? Das ist ja nicht zu fassen! Ich habe dir gerade erklärt …«
    »Es gibt zwei Gründe dafür.«
    »Zwei Gründe?«
    »Für eine Obduktion«, sagte Erlendur.
    Elín war aufgestanden und ging erregt im Wohnzimmer hin und her. Erlendur blieb sitzen, war aber noch tiefer in den Sessel gesunken.
    »Ich habe mit den Ärzten im Krankenhaus hier in Keflavík gesprochen. Sie haben keine Krankenberichte über Auður gefunden, nur das vorläufige Protokoll des Gerichtsmediziners. Der lebt nicht mehr. Das Jahr, in dem er starb, war sein letztes Jahr am Krankenhaus. Er wies nur auf einen Hirntumor hin und führte die Todesursache darauf zurück. Ich muss wissen, was für eine Krankheit das war, die den Tod des Mädchen herbeigeführt hat. Ich muss wissen, ob es eine Erbkrankheit war.«
    »Erbkrankheit! Ich weiß nichts von einer Erbkrankheit!«
    »Wir suchen bei Holberg danach«, sagte Erlendur. »Ein zweiter Grund für die Exhumierung ist, dass wir mit absoluter Gewissheit feststellen wollen, dass Auður seine Tochter war. Das geschieht mit einer DNA-Untersuchung.«
    »Zweifelt ihr daran?«
    »Eigentlich nicht, aber wir müssen Gewissheit haben.«
    »Aber warum denn?«
    »Holberg hat abgestritten, dass es sein Kind war. Er erklärte, Geschlechtsverkehr mit Kolbrún mit ihrer Einwilligung gehabt zu haben, aber er stritt die Vaterschaft ab. Als die Sache niedergeschlagen wurde, bestand kein stichhaltiger Grund, das weiterzuverfolgen. Deine Schwester hat das nie verlangt. Sie hatte bestimmt genug davon und wollte Holberg aus ihrem Leben streichen.«
    »Wessen Kind sollte es sonst sein?«
    »Wir brauchen Beweise wegen des Mordes.«
    »Des Mordes an Holberg?«
    »Ja.«
    Elín stand neben Erlendur und starrte auf ihn hinunter.
    »Muss dieses Scheusal einen noch über Tod und Grab hinaus verfolgen?«
    Erlendur wollte antworten, aber sie schnitt ihm das Wort ab.
    »Ihr glaubt womöglich, dass meine Schwester gelogen hat«, sagte Elín. »Ihr habt ihr ja nie geglaubt. Du bist nicht besser als dieser widerliche Rúnar. Keinen Deut besser.«
    Sie beugte sich über ihn, wie er da im Sessel saß.
    »Du mieser Bulle!«, fauchte sie. »Ich hätte dich nie in mein Haus lassen sollen.«

Kapitel 18
    S igurður Óli sah durch den Regen, wie sich die Autoscheinwerfer näherten, und wusste, dass es Erlendur war. Der Bagger fuhr mit Gedröhn vor dem Grab vor, bereit, mit dem Ausheben anzufangen, sobald das Zeichen gegeben würde. Es war ein Minibagger, der sich ruckartig und holpernd zwischen den Gräbern durchlaviert hatte.
    Die Ketten rutschten in dem Matsch ab. Er spuckte schwarzen Qualm aus und verpestete die Luft mit penetrantem Dieselgestank.
    Sigurður Óli und Elinborg standen am Grab, und bei ihnen waren der Gerichtsmediziner im Auftrag des Staatsanwalts, ein Jurist der Kriminalpolizei, ein Pfarrer mit einem Küster, einige Polizisten aus Keflavík und einige Arbeiter von der Stadtverwaltung. Die Leute standen im Regen da und beneideten Elinborg, die als Einzige einen Regenschirm dabei hatte und es Sigurður Óli gestattet hatte, sich halb unterzustellen. Sie bemerkten, dass Erlendur allein war, als er aus dem Auto stieg und langsamen Schritts zu ihnen herüberkam. Sie hatten die notwendigen Papiere dabei, auf denen die Behörden die Exhumierung genehmigten, aber es durfte erst dann angefangen werden, wenn Erlendur seine Zustimmung gegeben hatte.
    Erlendur schaute sich um, und im Stillen bedauerte er zutiefst die Beschädigung, die Zerstörung, die Entweihung. Der Grabstein war entfernt und auf einen Pfad oberhalb des Grabs gelegt worden. Eine grünliche Vase mit einem langen Spieß, der in die Erde gebohrt werden konnte, lag auch da. In der Vase befand sich ein kleiner, verwelkter Rosenstrauß, und Er lendur dachte bei sich, dass Elín ihn am Grabstein hinterlassen hatte. Er blieb stehen, las die Inschrift noch einmal und schüttelte den Kopf. Ein Lattenzaun aus weiß gestrichenem Holz, der kaum zwanzig Zentimeter hoch war, lag kaputt neben dem Grabstein. Erlendur hatte solche Zäune auf Kindergräbern gesehen und stöhnte. Er blickte zum schwarzen Himmel hoch. Der Regen strömte ihm von der Hutkrempe in den Nacken, und er kniff die Augen zu. Er schaute auf die Menschen, die am Grab standen, und dann sah er Sigurður Óli an und nickte mit dem Kopf. Der gab dem Baggerführer ein Zeichen. Die Schaufel hob sich, um sich dann in die weiche Erde zu senken.
    Erlendur sah zu, wie der Bagger eine

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