Nordermoor
fragte Sigurður Óli.
»Den Ring.«
»Ring?«, fragte Erlendur.
»Da ist ganz deutlich ein Ring unter der Zementplatte. Seht ihr den nicht?«
Sie starrten angestrengt auf den Bildschirm, bis sie etwas zu sehen glaubten, was durchaus ein Ring sein konnte. Er war sehr undeutlich, so als ob er von etwas verdeckt würde. Etwas anderes sahen sie nicht.
»Es sieht so aus, als wäre etwas davor«, sagte Sigurður Óli.
»Das kann Kunststofffolie sein«, sagte der Techniker. Es hatten sich noch andere vor dem Bildschirm versammelt, um alles mitzuverfolgen. »Seht mal hier«, sagte der Techniker. »Die Linie hier bei dem Ring. Das könnte der Finger eines Mannes sein. Da ist etwas in der Ecke, das wir uns näher anschauen sollten.«
»Aufbrechen«, befahl Erlendur. »Sehen wir uns an, was das ist.«
Die Leute machten sich sofort an die Arbeit. Sie markierten den Bereich im Wohnzimmer und fingen an, den Boden mit dem großen Pressluftbohrer aufzubrechen. Feiner Zementstaub wirbelte durch den Keller, und Erlendur und Sigurður Óli setzten Masken auf. Sie verfolgten genau mit, wie sich das Loch vergrößerte. Der Boden war fünfzehn bis zwanzig Zentimeter dick, und der Bohrer brauchte eine ganze Weile, um sich durchzuarbeiten.
Als das erfolgt war, wurde das Loch zusehends größer. Die Zementstücke wurden gleich weggeschafft, und kurze Zeit später konnte man den Kunststoff sehen, den die Kamera gezeigt hatte. Erlendur blickte zu Sigurður Óli, der ihm zunickte.
Die Kunststofffolie kam immer besser zum Vorschein.
Erlendur hielt es für dicke Baufolie. Es war nicht möglich, hindurchzusehen. Er hatte den Lärm, den ekelhaften Gestank und den umherwirbelnden Staub um sich herum ganz und gar vergessen. Sigurður Óli hatte die Maske abgenommen, um besser sehen zu können. Er beugte sich über die Männer, die den Fußboden aufbrachen.
»Machen sie das auch so, wenn sie die Grabkammern in Ägypten öffnen?«, fragte er, und die Spannung lockerte sich ein wenig.
»Ich fürchte bloß, dass hier kein Pharao liegt«, sagte Erlendur.
»Kann es wirklich sein, dass wir Grétar hier unter dem Fußboden bei Holberg finden?«, sagte Sigurður Óli erwartungsvoll. »Und das nach sage und schreibe einem Vierteljahrhundert! Das war ein verdammt genialer Einfall.«
»Seine Mutter hat Recht gehabt«, sagte Erlendur.
»Grétar’s Mutter?«
»Es war, als sei er gestohlen worden, hat sie gesagt.«
In Baufolie verpackt und in den Boden versenkt.
»Marian Briem«, sagte Erlendur leise zu sich selber und schüttelte den Kopf.
Die Männer arbeiteten wie wild mit den Elektrobohrern, der Boden brach auseinander, und das Loch wurde immer größer, bis das ganze Kunststoffpaket zum Vorschein kam. Sie diskutierten untereinander, wie sie es am besten öffnen sollten. Sie beschlossen, es komplett aus dem Boden zu holen und das Ding erst im Leichenschauhaus am Barónsstígur anzurühren, wo man sich damit befassen konnte, ohne dass die Gefahr bestand, dass mögliche Beweisstücke ruiniert würden.
Sie holten eine Trage herbei, die sie am Abend vorher mit in den Keller gebracht hatten, und stellten sie neben dem Loch auf. Zwei versuchten, das Folienbündel hochzuheben, das sich aber als zu schwer erwies, sodass weitere zwei zu Hilfe kommen mussten. Bald hatten sie es frei, hoben es hoch und legten es auf die Trage.
Erlendur trat hinzu, bückte sich über das Bündel und starrte angestrengt hin; er glaubte ein Gesicht zu erkennen, verwest und eingeschrumpelt. Zähne und einen Teil von einer Nase. Er richtete sich wieder auf.
»Sieht gar nicht mal so schlecht aus«, erklärte er.
»Was ist das da?«, fragte Sigurður Óli und deutete in das Loch hinunter.
»Was?«, fragte Erlendur.
»Sind das Filme?«, sagte Sigurður Óli.
Erlendur trat näher, ging in die Hocke und bemerkte, dass unter diesem Kunststoffbündel Filme waren, die halb im Splitt steckten. Meterweise Filme lagen da ausgebreitet. Er hoffte, dass einige von ihnen belichtet waren.
Kapitel 34
K atrín ging für den Rest des Tages nicht aus dem Haus. Sie erhielt keinen Besuch und telefonierte auch nicht. Abends fuhr ein Mann in einem Jeep vor dem Haus vor und ging mit einem mittelgroßen Koffer hinein. Man ging davon aus, dass das der Ehemann Albert war. Er wurde am späten Nachmittag von einer Geschäftsreise nach Deutschland zurückerwartet.
Zwei Polizisten hielten in einer Zivilstreife Wache beim Haus. Das Telefon wurde abgehört. Die beiden älteren Söhne waren
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