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Norderney-Bunker

Norderney-Bunker

Titel: Norderney-Bunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Reuter
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geschauspielert. Als wir raus waren, hat der sich unter die Dusche gestellt und alles war wieder gut. Glaub’ mir.“
    „Dann ist er sicher unter der Dusche gestorben. Die Massagestrahlen seines Luxusbads haben die Duschköpfe mit derartiger Härte und Geschwindigkeit verlassen, dass er daran gestorben und anschließend auf den Minigolfplatz geschwebt ist.“
    „Hör auf zu labern. Als wir das Hotel verließen, hat er schon wieder ganz normal geatmet. Außerdem: Wie kommt er auf den Januskopf?“
    „Stimmt. Seltsam ist das schon. Und trotzdem. Wenn er spazieren war und dann Hirnbluten bekommen hat oder sowas. Man weiß ja nie! Ich weiß allerdings nur eines: Wir müssen schnellstmöglich runter von der Insel. Die haben garantiert schon unsere Personenbeschreibung. Irgendjemand hat uns mit Sicherheit in der Nähe des Hotels gesehen.“
    „Und warum geben die dann keinen Personenbeschreibung an die Presse?“
    „Taktik, Alter. Taktik. Die wollen, dass wir uns in Sicherheit wiegen. Dann schlagen sie zu. Wir müssen weg hier. Das geht nicht gut.“
    Noch während Winnetou das sagte, kramte er einen Haargummi aus dem Rucksack und band sich die schwarze Mähne zu einem schmalen Zopf nach hinten. Das Haarband ließ er in der Hosentasche verschwinden. Dann setzte er sein dunkelblaues Basecap auf, zog den Schirm tief in die Stirn und befahl Lübbert: „Los, auf geht’s zum Hafen.“
    Auflaufendes Wasser im Wattenmeer vor Norderney. Der Wind nahm zu. Winnetous Pferdeschwanz wurde von den äußerst frisch daherkommenden Böen tüchtig geschüttelt. Das galt auch für Lübberts grau-blaues Halstuch, dass er sich um den Kopf gewickelt und bis über die Augenbraunen nach unten gezogen hatte. So konnte man die kurzen, weißen Haare kaum erkennen – und erst recht nicht die wuschigen, weißen Augenbrauen. Sicherheitshalber gingen sie nicht durch die Stadt Richtung Hafen, sondern am Strand entlang. In der Stadt herrschte mittlerweile helle Aufregung. Spätestens, seitdem die Redakteurin der Badezeitung das Extrablatt auf den Markt gebracht hatte, gab es nur noch ein Thema auf der Insel: der Mord an Onno Aden. Selbst die für gewöhnlich auf Norderney besonders ausgeprägte Gelassenheit der Gäste schien einer gewissen Nervosität zu weichen, als sich sogar der Stadtausrufer des Themas annahm. Normalerweise verkündete Bernhard Krug in ebenso sympathischer wie humorvoller Weise, welche Veranstaltungen der Tag für die Gäste bereithielt, welche Ärzte und Apotheken Notdienst verrichten und mit welchem Wetter zu rechnen sei. Auch heute schüttelte er wieder kräftig seine Glocke vor dem Conversationshaus am Kurplatz und bei den bronzenen Seehunden in der Poststraße. Sein blau-weiß gestreiftes Fischerhemd und seine rote Schirmmütze verpassten dem Stadtbild von weither sichtbar den gewohnt netten Farbklecks. Rasch scharten die Urlauber sich um ihn, besonders die Kinder zog der Norderneyer Stadtausrufer immer wieder in seinen Bann. Was er dieses Mal zu verkünden hatte, löste bei den Gästen allerdings betretenes Schweigen aus. Aus der Umhängetasche mit den Luftballons und den Bonbons für die Kinder zog er diesmal das Extrablatt der Norderneyer Badezeitung hervor. Als er den Text vorgelesen hatte, bat er die Gäste um Vorsicht und darum, verdächtige Wahrnehmungen der Polizei in der Knyphausenstraße mitzuteilen. Gleichzeitig beruhigte er die Urlauber mit dem Hinweis auf die gute Arbeit der Insel-Polizei und stellte fest, dass man letztendlich ja noch gar nicht wisse, ob es sich wirklich um einen richtigen Mord oder vielleicht nur um einen Unfall handele.
    Als für Winnetou und Lübbert der Hafen in Sichtweite kam, wurde ihnen schnell klar, dass es keinen Sinn hatte, die Fähre zu betreten. Ein Großaufgebot der Polizei kontrollierte nicht nur die Autoinsassen, sondern durchwühlte auch die Kofferräume. Besonders die Lastwagenkontrollen zogen sich aufreizend in die Länge. Die Polizei schien sich keinen Millimeter Ladefläche entgehen lassen zu wollen. Auch im Abfertigungsgebäude herrschte Hektik. Das Personal musste teilweise wüste Beschimpfungen über sich ergehen lassen, weil die Polizei nicht nur Personalausweise und Reisepässe in Augenschein nahm, sondern auch Taschen und Koffer stichprobenartig kontrollierte. Darin sahen die meisten Passagiere, die bis dahin noch geduldig alle Verzögerungen über sich ergehen ließen, keinen Sinn.
    300 Meter vor dem Hafengebäude standen Winnetou und Lübbert am Westkopf der

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