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Norderney-Bunker

Norderney-Bunker

Titel: Norderney-Bunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Reuter
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Das muss morgen in allen ostfriesischen Blättern stehen.“
    Dann verließ Faust den Konferenzraum und knallte die Tür hinter sich zu. Ein Kollege aus Aurich zuckte mit den Schultern und grinste, ein anderer schien sich für Faust zu schämen. Auch Visser rutschte nun von der Schreibtischplatte und rief im Hinausgehen so laut, dass man es bis ins Vorzimmer des Bürgermeisters hören konnte: „Jungs, wie haltet ihr es mit diesem Vollidioten bloß aus?“
     

Bunkerleben
    Wieso kennst du dich hier auf Norderney eigentlich so gut aus“, fragte Winnetou seinen Begleiter, als sie am Nordstrand entlang in Richtung Osten gingen. Die Insel lag bereits im Dämmerlicht, als sie sich zwischen dem Dünental Cornelius und dem Strandaufgang Detmold gegen den böigen Nordost anstemmten. Sie waren froh, dass der Wind immer noch so heftig blies und sich die Sonne an diesem Tag nur sporadisch hatte blicken lassen. So hielt sich die Zahl der Touristen und die einheimischer Spaziergänger, die sie vielleicht erkennen und verraten konnten, einigermaßen in Grenzen.
    „Als Kind habe ich ein paar Mal mit meinen Eltern Urlaub hier gemacht. Meist waren wir mit dem Wohnwagen hier. Außerdem habe ich mit vierzehn oder fünfzehn Jahren mal eine Freizeit in einem Jugendgästehaus auf Norderney verbracht. Da haben wir die Gegend erkundet. Eine tolle Zeit, sag’ ich dir.“
    „Bist du dir eigentlich sicher, dass wir hier gerade das Richtige tun?“ Winnetou war plötzlich erneut tief in sich gekehrt.
    „Wir sollten uns stellen. Irgendwann kriegen die uns doch.“
    „Quatsch mit Soße.“ Lübbert blieb stehen, fasste Winnetou an der Schulter und warf ihm einen Blick zu, der an Entschlossenheit kaum zu übertreffen war. „Wir ziehen das Ding jetzt durch. Wir müssen Zeit gewinnen. Ich will einfach nicht glauben, dass der Hotel-Typ an meinen Schlägen gestorben ist.“
    Winnetou gab nicht nach: „Was würde uns schon passieren, wenn wir die Wahrheit sagen würden? Ich weiß ja auch, dass du ihn nicht totschlagen wolltest.“
    „Die Bullen würden sich herzlich bei uns bedanken. Und selbstverständlich würden die uns glauben, wenn wir ihnen sagen würden, dass wir dem Hotelier abends was auf die Fresse gegeben haben, sein Tod für uns aber wie aus heiterem Himmel kommt. Wahrscheinlich würden die uns sogar noch einen Orden verleihen, weil wir so ehrlich und aufrichtig sind. Mensch, Apache. In welcher Welt lebst du eigentlich?“
    Winnetou war sich sicher, dass Onno Aden an den Schlägen seines Schicksalsgenossen Lübbert H. Saathoff gestorben war. Warum der dies nicht einsehen wollte, blieb ihm ein Rätsel. Wahrscheinlich war es eine psychische Schutzreaktion, die womöglich schon in Kürze der Realität weichen würde, dachte Winnetou und rieb sich die Augen, in die mit dem immer böiger werdenden Wind zahllose Sandkörner hineinflogen. In einem Abstand von zehn Metern schlenderten sie weiter Richtung Strandaufgang Detmold. Sie hatten Zeit, und sie waren nun allein. Keine Menschenseele weit und breit. Lübbert wollte warten, bis es dunkel war. Das Versteck, das ihm vorschwebte, kannte er aus seiner Jugend. Dort würde sie niemand finden, da war er sicher. Und an dieser Stelle bliebe ihnen dann die Zeit, über die ganze Sache nachzudenken, die Ermittlungsarbeiten der Polizei abzuwarten und gleichzeitig Pläne für die Zukunft zu schmieden. Winnetou fand diese Idee mehr als nur abenteuerlich, aber eine bessere Lösung wusste er auch nicht.
    Inzwischen gingen sie wieder nebeneinander her. Lübbert versuchte, sich eine Zigarette zu drehen, was bei dem Wind gar nicht so einfach war. Winnetou richtete den Gurt seines Gitarrenkastens und blickte Richtung Insel-Osten. Das Haar hatte er immer noch unter dem Basecap versteckt, ebenso wie Lübbert Stirn, Haaransatz und Augenbrauen nach wie vor mit seinem Schal bedeckt hielt. Über eine Strecke von mehreren Minuten sagten sie nichts mehr. Vielleicht war es auch eine halbe Stunde oder sogar eine oder zwei Stunden. Winnetou wusste das nicht mehr richtig einzuordnen. Er überlegte, was die Leute im Hotel über ihn denken würden. Einfach so zu verschwinden, ohne sich zu verabschieden. Sie würden ihn für unverschämt und unhöflich, ja für rotzfrech halten. Und vor allem, wenn herauskäme, dass sie gesucht würden: Bei dem Gedanken lief Winnetou ein kalter Schauer über den Rücken und der Magen zog sich zusammen. Auch Kempowski, seine Kumpels in Aurich und die ganzen Kaufleute, die ihn kannten und

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