Norderney-Bunker
Insel. Sie hatten dem Hafengebäude den Rücken zugewandt. Was sie gesehen hatten, reichte ihnen. Ihr Blick ging jetzt Richtung Festland und drückte ein gerüttelt Maß an Sehnsucht aus. Der Wind, der ihnen ins Gesicht wehte, war unerbittlich. Doch Winnetou lächelte. Lübbert bemerkte den Zynismus in der Körpersprache seines Kumpels allerdings sofort.
„Ich denke, es wird das Beste sein, wenn wir unseren Urlaub auf Norderney verlängern“, sagte Winnetou, ohne mit der Wimper zu zucken. Dann schaute er Lübbert an und fragte: „Na, was meinst du?“
Lübbert schwieg und blickte zu Boden. Nach einer Weile legte Winnetou den Arm um Lübbert und sagte: „Komm, Lübbi. Aufgeben gilt nicht. Wir müssen zunächst einmal Zeit gewinnen."
Da begann sich Lübberts Blick aufzuheitern: „Ich habe da eine prima Idee.“
Faust hatte keine Mühe damit, die Polizeiführung in Aurich davon zu überzeugen, auf der Stelle eine Sonderkommission einzurichten und dafür auch entsprechende Räumlichkeiten zu besorgen. Das Revier an der Knyphausenstraße gab in dieser Richtung nicht allzu viel her; also musste improvisiert werden. Schon am frühen Nachmittag teilte der Auricher Inspektionschef mit, dass der Bürgermeister den Konferenzraum in der ersten Etage des Norderneyer Rathauses für die „Soko Insel“ zur Verfügung stelle. Obwohl der Kurdirektor aufgrund des Vorfalls schlimme Folgen für den Tourismus befürchtete, begannen Mitarbeiter des Staatsbads unmittelbar damit, gemeinsam mit Auricher Kripo-Beamten Schreibtische heranzuschleppen, Computer aufzustellen und unzählige Meter von Strippen zu ziehen.
Soko-Chef Faust und sein Kollege Visser saßen in all dem Trubel einträchtig nebeneinander auf einem der Schreibtische.
„Das hier ist mal wieder so ein Fall, da könnte jeder der Mörder sein. Wirklich jeder.“ Faust wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und schluckte den letzten Bissen des Döners herunter, den er sich im Imbiss an der Strandstraße gekauft hatte. Visser schaute währenddessen Fausts Körper von der Seite an und überlegte, wie es sein könne, dass sein Kollege so ungesund essen dürfe und trotzdem eine solch sportliche Figur habe. Gleichzeitig löffelte Visser den Obstsalat aus der kleinen Tupperschüssel, die seine Frau ihm am Morgen noch schnell in den Rucksack gepackt hatte, und ließ die Beine baumeln.
„Sie haben recht. Ich hatte zum Beispiel nicht das Gefühl, dass Juliane allzu sehr um ihren Onno trauert. Eine trauernde, geschockte Witwe sieht anders aus. Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass sie es gewesen ist. Ich traue ihr so etwas einfach nicht zu. Dafür kenne ich sie zu lange.“
„Ich traue der allerdings einiges zu“, sagte Faust und machte dabei eine eindeutige Handbewegung. Visser stutzte und warf seinem Kollegen einen abschätzigen Blick zu.
Dann hob Faust erneut an, diesmal seriös: „Wir müssen außerdem mal abwarten. Ich glaube nämlich auch nicht unbedingt, dass der Fundort der Leiche auch der Tatort ist. Der Wind hat schon viele Spuren verweht. Ich hoffe nur, er hat den Kollegen der Spurensicherung noch etwas übrig gelassen.“
Um sie herum wurde es immer ungemütlicher. Zwei Computerleute verlegten Netzwerkkabel und riefen sich irgendetwas zu. Pausenlos öffnete und schloss sich die Tür, weil Kollegen Büromaterial und Stühle hereinbrachten. Hinten in der Ecke klingelte ein Telefon.
„Und was ist mit dem Hausmeister?“, fragte Visser, der nun deutlich lauter reden musste, um von seinem Kollegen gehört zu werden.
„Was sollte der für ein Motiv haben?“
„Ärger mit dem Chef. Geld. Eifersucht. Gier. Das Übliche. Der schien mir allerdings in der Tat eher geschockt als die Witwe. Und seine Aussage mit den beiden Typen vor dem Hotel klang glaubhaft. Die müssen wir unbedingt kriegen.“
Während Visser das sagte, rutschte gerade ein Computerbildschirm von einem der Schreibtische, gegen den ein junger Kollege gestoßen war.
„Verdammte Hektik. Hier kann man nicht arbeiten. Keinen klaren Gedanken kann man in diesem Saftladen fassen“, schrie Faust, sprang von der Schreibtischplatte und trat gegen einen Papierkorb, der quer durch den Raum flog und um ein Haar einen weiteren Bildschirm zu Boden geschickt hätte.
Mit hochrotem Kopf zischte der Soko-Chef Visser an: „So kommen wir nicht weiter. Die Pressestelle soll nach den beiden Typen suchen und auch Phantomzeichnungen an die Zeitungen geben. Der Breuer hat die super beschrieben.
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