Norderney-Bunker
Wesson verborgen bleiben.
Juliane Aden nahm das Eintreten von Visser und Faust regungslos zur Kenntnis. Ihre gepflegten, aber ungewöhnlich kräftigen Hände klammerte sie um den Kaffeebecher; so, als wäre ihr kalt.
„Dürfen wir uns setzen?“, fragte Visser. Sie schaute kurz auf und nickte. Visser setzte sich – ehe sie eine Antwort geben konnte – an das andere Kopfende des Tisches. Faust schnappte sich einen Stuhl an der Lehne, drehte ihn mit einer Hand und mit nahezu zirzensischer Leichtigkeit und nahm rittlings darauf Platz.
„Es tut uns sehr leid, was passiert ist. Aber ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen“, sagte Faust, der seine Stimme gesenkt hatte. Juliane Aden putzte sich die Nase.
„Wer sind Sie überhaupt? Gent, kannst du mir den Herrn nicht einmal vorstellen? Ich finde es reichlich unhöflich, wie Ihr hier mit mir umgeht.“
Erneut schnäuzte sich die Frau und strich sich mit der anderen Hand gleichzeitig durch das steif gewachste Haar.
„Ich möchte jetzt nicht mit fremden Menschen reden.“ Dann drehte sich Juliane Aden ab und schaute aus dem Fenster auf die gegenüberliegende Häuserfront.
Gent atmete tief durch, bevor er mit extrem leiser Stimme sagte: „Juliane, entschuldige bitte. Dies hier ist Hauptkommissar Carlo Faust, Chef der Mordkommission in Aurich. Er wird die Ermittlungen hier auf der Insel offiziell leiten. Er ist erst vor einer halben Stunde eingetroffen.“
Die Frau setzte sich wieder in die alte Position, nahm einen Schluck Kaffee und zündete sich erneut eine Zigarette an.
„Also bringen wir es hinter uns“, sagte sie und schaute die beiden Männer an. Faust schien ihr zu gefallen. Offenbar war es sein muskulöser Körper, der ihre Blicke deutlich länger auf ihm ruhen ließen als auf Visser. Faust tat so, als müsse er seine Pistole im Holster richten. Sein Blick traf Visser, dann die Frau. Trotz der Ernsthaftigkeit der Lage schien er den Moment zu genießen.
„Nun, was wollen Sie von mir wissen?“, fragte Juliane Aden endlich.
„Wann hast du Onno zuletzt gesehen? Lebend?“ Als er diese Frage stellte, senkte Visser den Blick. Immerhin kannte er sowohl Onno als auch seine Frau praktisch von Kindesbeinen an. Und jetzt eine solche Vernehmung. Das war nicht einfach, das war ihm von Beginn an klar. Einerseits ärgerte er sich, dass Faust in diesem Moment die Initiative nicht übernahm, andererseits wollte er sich von dem Kollegen vom Festland auf der eigenen Insel auch nicht vorführen und zum Provinzaffen degradieren lassen.
„Mach dir keine Umstände“, antwortete Juliane Aden forsch. Sie merkte, dass Visser die Sache ein wenig peinlich war. Dann fuhr sie fort: „Wir haben uns am späten Nachmittag zuletzt gesehen. Er kam aus der Stadt zurück. Er hatte einen Geschäftsfreund getroffen. Wir sind quasi aneinander vorbeigelaufen. Ich verließ gerade das Haus, als er ankam.“
„Hat er irgendwas gesagt? War er anders als sonst?“
„Nein, keineswegs. Er roch nach Alkohol und Zigaretten. Aber er war nicht betrunken. Er kam mir auch nicht gehetzt vor. So wie immer. Er wusste, dass ich meinen Sauna-Abend hatte. Er wünschte mir viel Spaß.“
Jetzt endlich schaltete sich Faust ein: „Frau Aden. Hatte ihr Mann gestern Abend etwas vor? Wollte er jemanden treffen? Zum Skat, auf ein Bier oder zu einer geschäftlichen Unterredung vielleicht?“
Die Frau richtete sich im Stuhl auf und zupfte sich den einige Zentimeter höher gerutschten Rock zurecht. „Nein. So viel ich weiß, hatte er nichts Konkretes vor. Als ich nach Hause kam, war er allerdings nicht mehr im Haus. Weder unten im Hotelfoyer noch hier oben in der Wohnung. Ich legte mich hin und schlief sofort ein.“
„Wie spät war das?“
„Halb zwölf.“
Gent Visser erhob sich vom Stuhl. Für einige Sekunden herrschte Schweigen. Er ging langsam Richtung Küchenzeile, drehte sich nach drei, vier Schritten wieder um und streckte sich. „Juliane, mit wem hatte Onno hier im Haus denn zuletzt Kontakt? Mit wem hast du heute Morgen schon über die Sache gesprochen?“
„Ich weiß, dass er das Personal normalerweise immer nach Hause schickt, wenn es ruhig im Haus ist. Gestern war so ein Tag. Im Hotel, also in seinem Personalzimmer, war aber höchst wahrscheinlich der Hausmeister. Herr Breuer. Arno Breuer. Vielleicht hat er ihn noch gesehen oder etwas mitbekommen. Er verlässt selten…“
Während Juliane Aden sprach, klopfte es an der Tür. Visser und Faust schauten sich an, dann ging ihr Blick wie
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