Norderney-Bunker
vollbusige TV-Reporterin mit den morastigen Absätzen, die mit verschränkten Armen und lasziv übereinandergeschlagenen Beinen neben Karin Mayer-Lübbecke in der ersten Reihe saß. Durch den Saal ging ein breites Lachen.
Da Fausts Blicke an der Fernsehfrau kleben geblieben waren und ihr Augenaufschlag ihm für einen Moment die Sprache verschlagen hatte, griff Gent ein.
„Hinsichtlich der Ernsthaftigkeit dieser Veranstaltung finde ich Ihre Frage ebenso unpassend wie unseriös. Wenn Sie uns wirklich helfen möchten, dann veröffentlichen Sie bitte diese Personenbeschreibungen und diese Phantombilder hier.“
Visser hielt die Zeichnungen in die Höhe und bat den Pressesprecher, neben der aktualisierten Pressemitteilung die Personenbeschreibungen und die Phantomzeichnungen unter den Journalisten zu verteilen.
Als wieder Ruhe eingekehrt war, meldete sich Karin Mayer-Lübbecke zu Wort. „Mal abgesehen davon, dass ich bei dieser Täterbeschreibung auch an eine ganz bestimmte Figur aus einer Karl-May-Serie denken muss, habe ich da noch eine Frage.“
„Bitte sehr“, sagte der Auricher Inspektionsleiter und räusperte sich leise hinter vorgehaltener Hand.
„Was ist mit dem privaten Umfeld des Ermordeten? Ich finde, das kommt hier viel zu kurz. Ist es nicht möglich, dass dort – ich meine – dass in dieser Richtung ebenfalls ermittelt werden muss?“
Wieder herrschte absolute Stille im Saal. Alle Reporterkollegen, die von außerhalb kamen, wussten, dass diese Frage einerseits unnötig, andererseits äußerst mutig war. Immerhin lebte Karin Mayer-Lübbecke auf der Insel. Hier kann niemand dem anderen aus dem Weg gehen. 14 Kilometer lang, durchschnittlich zweieinhalb Kilometer breit. Drumherum nur Wasser. Man trifft sich immer wieder. Irgendwann. Irgendwo. Es sei denn, man zieht weg. Aber was ein richtiger Insulaner ist, der bleibt. Und zwar für immer!
Über diese speziellen Begebenheiten dachte Soko-Chef Faust in diesem Moment allerdings nicht nach. Man merkte ihm deutlich an, dass er sich über die Frage ärgerte. Er pumpte seinen kompletten Oberkörper derart auf, dass man meinen konnte, er wolle mit seinen Muskelpaketen seine Hemdknöpfe wegsprengen. Dann sagte er: „Liebe Frau Mayer-Lübcke.“ Er hatte den Namen der Redakteurin noch nicht ganz ausgesprochen, das spürte er schon den Ellenbogen Gents in den Rippen, der ihm gleichzeitig etwas ins Ohr flüsterte.
„Also. Entschuldigung. Sehr geehrte Frau Mayer-Lübbecke. Dies ist nicht mein erster Mordfall. Und ich habe auch schon etlichen Sokos vorgestanden. Natürlich ermitteln wir auch im privaten Umfeld. Wir sind doch keine Anfänger.“
Dann hielt Faust einen Augenblick inne. Er überlegte. Nun streckte er sein Kinn nach vorn, kniff die Augen zusammen und fuhr sich durchs Haar, bevor er wieder ansetzte:
„Ihr Einwand ist bei genauer Betrachtung gar nicht so uninteressant, wie ich finde, Frau Mayer-Lübbecke. Vielleicht wissen Sie ja mehr als wir. Auf Ihren morgigen Zeitungsbericht bin ich jedenfalls schon jetzt sehr gespannt.“
Kampf ums Überleben
Auf den am Bunkerboden ausgebreiteten Sitzauflagen für die Gartenstühle hatten sich Winnetou und Lübbert am Vorabend schlafen gelegt. Die Flasche Bier war in kürzester Zeit geleert. Da sie so gut wie nichts gegessen und jede Menge Stress hatten, reichten ihnen die wenigen Schlucke, um gleich beschwipst zu sein und die nötige Bettschwere erreicht zu haben. Völlig erschöpft waren sie eingeschlafen.
Als Lübbert wach wurde, kramte er sein Handy aus der Hosentasche, um nach der Uhrzeit zu sehen. 2.54 Uhr. Mitten in der Nacht, dachte er. Sein Hals war trocken, ebenso seine Zunge, die er im Mund kaum drehen konnte. Sein Durst begann ihn ernsthaft zu quälen. Ihm war schlecht. Auch Winnetou war bereits aufgewacht, das hatte Lübbert erst gar nicht bemerkt.
„Hast du auch solchen Durst“, krächzte Winnetou.
„Ja. Und Hunger. Ich halte es nicht mehr aus.“
Lübbert richtete sich auf und reckte die Arme. Dann drehte er den Lichtschalter an und rieb sich die Augen.
„Wir müssen jetzt was unternehmen“, sagte Lübbert.
„Und was?“
„Los, komm mit.“
Das Quietschen und Knarzen beim Öffnen der Bunkertür flößte ihnen zwar erneut eine gehörige Portion Angst vor dem Entdecktwerden ein, doch sie waren froh, dass es draußen noch stockdunkel war. Winnetou hatte die Haare wieder unter seinem Basecap versteckt, und auch Lübbert war mit hochgebundenem Halstuch unterwegs, als sie durch
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