Norderney-Bunker
ein anderer, offenbar jüngerer Mann.
„Verdammt. Ich habe es vergessen.“
„Warum ist unsere Taschenlampe eigentlich kaputt?“
„Die ist doch immer kaputt, wenn wir hier was suchen.“
Der Mann mit der tiefen Stimme wurde nun ungeduldig.
„Ich habe meinem Kumpel den Räucherofen hoch und heilig versprochen. Morgen fahren wir zu ihm hin. Christa und ich. Eine Woche Halbpension für einen Räucherofen. Nicht schlecht, oder?“
Winnetou saß weiter in der Dunkelheit wie zur Salzsäule erstarrt. Jetzt merkte er, wie sich ihm einer der Männer näherte. Er war keinen Meter mehr von ihm entfernt. Winnetou roch seinen Atem und spürte die Körpernähe. Doch er konnte nichts sehen. Nicht einmal einen Schatten. Was für ein Glück, dass Lübbert und er noch nicht geraucht hatten heute Abend in diesem gottverdammten Bunker, dachte Winneteou, als erneut ein ohrenbetäubendes Geräusch das Gebäude erfüllte. Einer der Männer hatte sich wohl in der Zwischenzeit bis zu dem Räucherofen vorgetastet und zog das Blechgerät nun scheppernd Richtung Ausgang.
„Wie gut, wenn man sich auskennt in seinem kleinen Reich. Ordnung ist eben immer noch das halbe Leben“, hörten Lübbert und Winnetou den Älteren der beiden triumphieren. Ein erneutes, mächtiges Krachen, Quietschen und Bollern setzten dem nächtlichen Schockerlebnis ein Ende. Nach wenigen Sekunden schaltete Lübbert das Licht wieder an. Winnetou war kreidebleich, die Bierflasche stand unangetastet mitten auf dem Tisch. Daneben lag die Münze. Kopf oben. Als Winnetou das erkannte, verschwand die Blässe in seinem Gesicht innerhalb weniger Sekunden. Er nahm – wenn auch mit großer Vorsicht und höchstem Respekt – die Flasche zur Hand und dann den ersten Schluck. Der Bunkerfrieden war zurückgekehrt.
Schreiberlinge und Fernsehfuzzies
Al s Frauke Visser aufwachte, war Gents Bett bereits leer. Sie machte sich Sorgen um ihren Mann. Etliche Monate hatte sie dazu gebraucht, ihn davon zu überzeugen, dass es besser sei, mit dem Rauchen aufzuhören. Nun hatte er – offenbar wegen des anhaltendes Stresses und der rapiden Gewichtszunahme – das erste Warnzeichen erfahren. Trotz der Entwarnung durch den Hausarzt veränderte Gent sich mehr und mehr zu einem nachdenklichen Menschen. Von der einstigen Frohnatur waren nur noch ein paar Reste übrig geblieben. Gent tat ihr leid. Sie wollte ihm unbedingt helfen. Die Frage war nur, wie man ihm helfen konnte. Gent war nämlich ein Dickschädel, dessen Stolz ihn in aller Regel davon abhielt, sich helfen zu lassen.
Als Frauke die Küche betrat, saß er bereits am Tisch. Er hatte für beide das Frühstück zubereitet, beim Bäcker frische Brötchen geholt und Eier gekocht. Das versprach eine gute Grundlage für den Tag.
„Ich wollte dich gerade rufen“, sagte Gent, während Frauke ihm einen Kuss auf die Wange drückte. Frauke spürte die Nervosität in Gent, auch wenn er so tat, als sei alles in Ordnung.
„Was schreibt denn die Badezeitung ?“, fragte Frauke. Sie sah, dass ihr Mann das Lokalblatt schon gelesen und beiseite gelegt hatte.
„Das, was wir alle erwartet haben. Und noch ein bisschen mehr“, antwortete Gent.
„Du machst mich neugierig“, sagte Frauke und köpfte ihr Frühstücksei.
„Sie hat nicht nur die offizielle Pressemitteilung von der Zentrale in Aurich bis auf Punkt und Komma ausgeschlachtet. Sie hat auch neben den Phantomzeichnungen der beiden Tatverdächtigen eigene Thesen zum möglich Mordmotiv hinzugefügt sowie Onnos Lebenslauf brühwarm abgedruckt. Und der hat es in sich. Auf der Insel kennen den nur Insider.“
Frauke stutzte: „Was ist denn daran so Besonderes?“
Vor gut neun Jahren ist Onno mal zu einer Bewährungsstrafe verknackt worden. Er unterhielt in Köln seinerzeit ein Etablissement.“
„Na und?“
„Nun. Die Frauen, die er dort beschäftigte, waren zum Teil nicht nur minderjährig, sondern sie waren illegal über die Grenze nach Deutschland gekommen. Tschechinnen, Albanerinnen, Mädchen aus Libyen und aus dem Tschad. Höchst kompliziert. Es gab damals einen Prozess, der überall auf dem Festland Aufsehen erregte. Bis hier auf die Insel drang davon allerdings so gut wie nichts vor.“
„Und Onno ist da mit einer Bewährungsstrafe davongekommen?“, fragte Frauke.
Gent schüttete sich direkt aus dem Tetra-Pack fettarme Milch in den Kaffee, rührte kurz um und nahm einen Schluck.
„Ja. Er hatte Glück. Es mangelte an Beweisen. Sein Kompagnon, ein Türke, musste
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