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Norderney-Bunker

Norderney-Bunker

Titel: Norderney-Bunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Reuter
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die nächtliche Nordhelmstraße schlichen und über den alten Schirrhof in die Oderstraße einbogen. In keinem der Häuser brannte noch Licht, durch kein einziges Fenster fiel der zuckende Schimmer eines Fernsehers. Keine pfeifenden Vögel, keine Autos, keine Fahrräder. Selbst das Meer war kaum zu hören. Das Wasser lief ab. Es war windstill.
    Als sie am letzten Haus in der Oderstraße ankamen, stiegen sie über einen kleinen Zaun. Innerhalb weniger Sekunden befanden sie sich auf der rückwärtigen Terrasse. Von dort konnten sie ins Wohnzimmer sehen. Der Mond spendete immer noch ausreichend Licht. Eines der Fenster stand auf Kipp. Im Handumdrehen gelang es Lübbert, das Fenster zu öffnen. Mit einer geschickten Handbewegung schob er die Blume auf der Fensterbank zur Seite.
    „Was machst du da?“, fragte Winnetou.
    „Wie du siehst, entwerfe ich gerade ein neues, hochkomplexes Computerprogramm, du Töffel!“, ranzte Lübbert seinen Partner an.
    „Aber wenn uns einer erwischt.“
    „Dann bist du schuld, weil du die Klappe nicht halten kannst.“
    Winnetou war mittlerweile schneeweiß im Gesicht.
    „Muss ich mitkommen?“
    „Hast du Hunger, hast du Durst?“, fragte Lübbert zurück. Und schon befanden sich die beiden im Wohnzimmer des schmucken Einfamilienhauses an der Norderneyer Oderstraße. Ihr erster Weg führte sie in die Küche. Der Kühlschrank war opulent bestückt. Lübbert und Winnetou strahlten um die Wette. Und jetzt lief alles geradezu vollautomatisch ab; so, als hätten sie Kücheneinbrüche jahrelang eingeübt. Lübbert griff auf dem Tisch nach zwei rot-weißen Plastiktüten. Ostfriesischer Kurier stand drauf. Dann ging alles blitzschnell. Käse, Wurst, Salami, Schinken, Milch, Aquavit, Weizenbier, Senf, Marmelade und Grillwürste füllten Tüte Nummer eins. Jetzt noch die Pulle Sekt, und aus dem Hängeschrank die Tüte mit dem Brot und zwei Kaffeebecher. Aus der Schublade Messer, Gabeln, Suppen- und Dessertlöffel, außerdem von der Ablage Salz und Pfeffer.
    „In der Tüte ist noch Platz“, flüsterte Lübbert. Prompt griff Winnetou nach der handlichen Kompaktanlage von Philips , die auf dem Sideboard stand, zog den Stecker aus der Dose, und lies das Musikgerät vorsichtig in die Tüte gleiten. Eine Taschenlampe legte er noch obendrauf.
    „Die können wir beim nächsten Mal sicher gut gebrauchen“, flüsterte Winnetou und lächelte zufrieden. Im gleichen Moment erschrak er fast zu Tode. Denn die Tatsache, dass sich die Küchentür wie in Zeitlupe öffnete, konnte nur bedeuten, dass der Hausbewohner wach geworden war und ihnen nun auf die Pelle rückte. „Jetzt sind wir geliefert“, dachte Winnetou, „endgültig!“
    Auch Lübbert hatte die Situation mittlerweile realisiert und festgestellt, dass sein Herz praktisch zum Stillstand gekommen war. Sie wollten die Tüten schon zu Boden fallen lassen, um besser Reißaus nehmen zu können, da hörten sie das Maunzen der Katze, die die angelehnte Türe aufgestoßen hatte und mit verschlafenen Augen nachschaute, was in der Küche des Hauses denn um diese Zeit noch los sei.
    Lübbert begann wieder zu atmen, Winnetou wischte sich den Schweiß von der Stirn. Innerhalb einer halben Minute hatten sie das Haus verlassen, weitere zehn Minuten später saßen sie wieder im Bunker. Als sie es geschafft hatten, atmete Lübbert tief durch: „Endlich daheim.“
    Schon an diesem Vormittag machte die Sonneninsel ihrem Namen alle Ehre. Keine Wolke am Himmel, 19,5 Grad Celsius bereits um zehn Uhr. Für die Badegäste kündigte sich ein perfekter Tag an. Gleißend und unaufhaltsam übernahm die Sonne das Kommando auf Norderney, als Soko-Chef Faust mit seinem Dienst-Audi von der Jann-Berghaus-Straße nach links in die Winterstraße einbog. Er hatte sich mit Gent Visser darauf verständigt, dass er die schöne Aden-Witwe ein zweites Mal vernimmt, während sich Gent mit dem – wie Faust es formulierte – „Zeilenluder“ von der Badezeitung traf.
    Juliane Aden empfing Faust im Wohnzimmer. Es lag im dritten Stock des Hotelanwesens an der Winterstraße 20. Sie saß auf einer roten Designer-Couch aus Leder. Die elfenbeinfarbenen Kopfstützen waren nach vorn gekippt. Auf dem Glastisch mit den stumpf geschliffenen Rändern stand eine angebrochene Flasche Wasser. Das Blumenbouquet auf der zweitürigen Vitrine aus Buchenholz roch frisch, das nahm der Ermittler im Vorbeigehen deutlich wahr. Er ging direkt auf Juliane Aden zu und streckte ihr die Hand entgegen. Sie reichte

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