Norderney-Bunker
ihm ihre Hand prompt, allerdings in der Weise, dass sie sie zum Handkuss anbot. Dies irritierte Faust, der einen solchen Umgang nicht gewöhnt war. Also nahm er die Hand und drückte sie vorsichtig.
„Nehmen Sie Platz“, hauchte die Witwe und zeigte auf den Sessel gegenüber. „Was kann ich für Sie tun?“
„Ich weiß nicht, ob Sie die Zeitungen gelesen haben“, begann Faust. „Das Vorleben ihres verstorbenen Mannes zwingt uns einige Fragen auf.“
„Ich habe die Zeitungen nicht gelesen. Aber man hat mir von dem besagten Artikel berichtet.“
Faust wartete. Er wollte, dass Juliane Aden von sich aus erzählte, doch diesen Gefallen tat sie ihm nicht. Stattdessen stand sie auf, lief wortlos aus dem Raum und kam nach wenigen Sekunden mit zwei kleinen Wasserflaschen und zwei Gläsern zurück.
„Ich nehme an, Sie möchten bei der Hitze auch lieber Wasser trinken als Cognac oder sowas. Außerdem sind Sie im Dienst. Ich kann Ihnen aber auch gern einen Kaffee bringen lassen oder Tee“, ergänzte sie und strich sich, während sie sich setzte, über den aufreizend eng anliegenden, schwarzen Rock. Natürlich nahm sie die Blicke Fausts sehr genau zur Kenntnis.
„Ich bin gerade dabei, die Sachen für die Beerdigung anzuprobieren“, sagte sie dann, während sie die schmalen, dezent geschminkten Lippen aufeinanderpresste und an ihren schlanken Beinen vorbei auf den schneeweißen Berber blickte.
„Ja, danke. Ich nehme gern ein Wasser. Machen Sie sich keine Umstände.“ Faust wollte zurück zum Thema kommen.
„Also, Frau Aden. Was wissen Sie von der Zeit, die Ihr Mann in Köln verbracht hat?“
„Wir kennen – kannten uns von Kind an. Nach der Schule ging er weg von der Insel. Wir verloren uns aus den Augen. Während dieser Zeit habe ich hier das Hotel meiner Eltern übernommen. Vor neun Jahren tauchte Onno dann plötzlich wieder hier auf. Er sah blendend aus. Wir verliebten uns Hals über Kopf. Eine wunderschöne Zeit begann.“
„Was hat ihr Mann Ihnen erzählt?“
„Ich glaube, dass er mir wirklich alles erzählt hat. Er hat mir gegenüber nie einen Hehl daraus gemacht, dass er in Köln über mehrere Jahre einen Club betrieben hat. Auch über den Prozess und über die Vorwürfe wegen der Mädchen aus dem Ausland wusste ich Bescheid.“
„Hatte er Angst?“
„Wovor sollte er Angst haben? Meinen Sie den Türken, seinen Geschäftspartner? Nein. Er hatte keine Angst. Zumindest hat er mir gegenüber nie den Eindruck erweckt, dass er noch irgendein Problem mit sich herumschleppt.“
Faust trank aus seinem Wasserglas. Gleichzeitig vibrierte das Handy der Frau. Offenbar war es eine SMS. Sie beantwortete sie sofort. Unmittelbar darauf stand sie auf, strich sich mit den Händen erneut über den Rock und schritt auf ihren schwarzen Pumps zur Eckkommode neben dem Fenster. Dort griff sie nach dem Hennessy und fragte: „Sie jetzt vielleicht auch?“
Faust schüttelte entschlossen den Kopf. „Nein danke. Bin immer noch im Dienst. Sagen Sie mir doch lieber, ob sich dieser Türke namens Selim Ürkmez, seit er aus dem Knast raus ist, mal hier gemeldet hat oder ob Ihr Mann sich vielleicht mal mit ihm getroffen hat. Hier oder woanders. Vielleicht sogar in Köln.“
„Das mag sein. Ich habe davon allerdings nichts mitbekommen. Als mein Mann damals von Köln auf die Insel kam, hatte er viel Geld. Sehr viel Geld. Es ging ihm immer gut. Von daher war es auch für meine Eltern kein Problem, dass er hier einheiratete.“
„Bitte bleiben Sie doch noch für einen Augenblick bei der Sache, Frau Aden. Wir kommen so nicht auf den Punkt.“ Faust ärgerte sich, weil er immer noch keine konkrete Antwort auf seine Fragen erhalten hatte. Juliane Aden verließ allmählich ebenfalls die Geduld. Sie schaute ihn grimmig an. Offensichtlich wurde Faust ihr nun endgültig lästig. Sie stand immer noch an der Kommode, auf der sie sich mit dem Ellbogen etwas unbeholfen abstütze. Dann nahm sie ihr knapp zur Hälfte gefülltes Cognac-Glas und durchschritt den Raum diagonal. Da erst bemerkte Faust, dass die Aden-Witwe ganz offenbar vergessen hatte, den Reißverschluss ihres Rockes ganz nach oben zu ziehen. Faust war grob irritiert. Sein Blick haftete für ein paar Sekunden auf der Tätowierung direkt über dem sonnenbankgebräunten Steißbein der Dame. Als das Telefon klingelte, fuhr der Fahnder zusammen. Juliane Aden schaute aufs Display und ließ es klingeln. Endlich nahm Faust die Vernehmung wieder auf.
„Also, Frau Aden. Letzte
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