Norderney-Bunker
Frage: Halten Sie es für möglich, dass sich ihr verstorbener Mann mit dem Türken getroffen hat, um mit ihm eine alte Rechnung zu begleichen? Wie steht es um das Vermögen Ihres Mannes?“
Juliane Aden ging zur Tür. Faust erhob sich, vergrub beide Hände in den Hosentaschen und ging lässig auf die Frau zu. Während diese die Tür öffnete, sagte sie: „Ich halte alles für möglich. Wenn es der Türke tatsächlich war, dann sehen Sie bitte zu, dass Sie ihn so schnell wie möglich hinter Schloss und Riegel kriegen. Alles andere ist mir egal.“
Faust lief rot an. Er wusste, dass diese Vernehmung ein absoluter Flop war. Juliane Aden öffnete die Tür nun noch ein Stück weiter und flüsterte. „So, Herr Kommissar. Und nun lassen Sie mich bitte allein.“
Gent Visser und Karin Mayer-Lübbecke wollten sich ebenfalls um zehn Uhr treffen. Gent hatte sie gestern Abend noch angerufen. Auch ihn hatte die furchtlose Frage der Reporterin nach den Ermittlungen im direkten, privaten Umfeld des Ermordeten stutzig gemacht. Und da er und die Journalistin sich seit einigen Jahren kannten und trotz aller dienstlicher Distanziertheit per du waren, wollte er sie bei einer Tasse Kaffee im Extrablatt befragen. Gent hatte an einem der Tische vor dem Café Platz genommen – nicht nur wegen des prächtigen Hochsommerwetters, sondern auch, damit sein Gast rauchen durfte. Er hatte seinen Kaffee nahezu ausgetrunken, als Karin Mayer-Lübbecke mit exakt elfminütiger Verspätung um die Ecke kam.
„Sorry. Ich kam nicht vom Schreibtisch weg. Das Telefon klingelt unaufhörlich“, sagte sie und zündete sich gleich eine Zigarette an.
„Alles wegen des Mordes?“
„Klar, weswegen sonst?“
„Was wollen die Leute?“
„Manche finden die Berichterstattung gut. Viele loben die Geschichte über das dubiose Leben von Onno Aden auf dem Festland. Andere beschimpfen mich deswegen. Besonders diejenigen, die ihren Namen nicht nennen wollen und mich als ‚Schlampe‘ und ‚Provinzschreiberin‘ bezeichnen, gehen mir tierisch auf den Keks.“
Die Reporterin sog gierig an der Zigarette und bestellte sich einen Cappuccino und ein Mineralwasser.
„Karin, lass uns gleich zur Sache kommen“, sagte Gent. Sollte deine Frage gestern eine Provokation sein oder weißt du etwas aus Onnos Privatleben, das für unsere Ermittlungen interessant sein könnte?“
Karin merkte, wie intensiv Gent auf ihre Zigarette schaute. Sie hielt ihm die Packung hin:
„Möchtest du eine?“
„Nee, danke, habe aufgehört.“
„Habe ich auch schon so oft. Als ich dann sechs oder sieben Kilos drauf hatte, bin ich wieder angefangen. So viel Eitelkeit muss sein.“
Gent grinste, hielt die Hand auf den Bauch und blickte rüber zum Conversationshaus , auf dessen Turm die Norderney-Flagge schlapp am Mast baumelte.
„Wie du siehst, habe auch ich zugelegt. Und zwar nicht zu knapp. Aber im Gegensatz zu dir darf ich nicht mehr anfangen. Mein Hausarzt hat etwas dagegen. Und meine Frau.“
Dass ihr Handy klingelte, störte die Redakteurin nicht im Geringsten. Ohne auf das Display zu schauen, nahm sie es vom Tisch und ließ es in ihre Umhängetasche gleiten. Gent beobachtete sie mit leicht nach vorn geneigtem Kopf über den Brillenrand und nahm einen zweiten Anlauf.
„Also, Karin. Was ist deine Vermutung.“
Sie nahm einen Schluck Cappuccino.
„Eine direkte Vermutung habe ich nicht. Schon gar keinen Beweis. Ich weiß nur mit Sicherheit, dass es mit der Ehe von Onno und Juliane nicht zum Besten stand. Es ist doch kein Geheimnis, dass sie ihn betrog.“
„Weißt du mit wem?“
„Nee. Ich habe nur einmal gesehen, wie sie sich im Inselkeller einem Typen an den Hals geschmissen hat. Und neulich hat jemand erzählt, sie habe was mit einer Frau.“
Gent zog die Stirn in Falten. „Mit einer Frau?“
„Ja. So wird getuschelt. Was Genaues weiß ich aber auch nicht. Man macht sich halt so seine Gedanken.“
„Ist das nicht ein wenig oberflächlich?“, fragte Gent.
„Nein. Weibliche Intuition. Auch Onno war alles andere als ein Kind von Traurigkeit. Der hat es doch mit jeder Clubtouristin getrieben, die ihm vor die Flinte lief. Glaubst du, Juliane hat das nicht gewusst?“
„Na und?“
„Was heißt hier ,na und‘? Irgendwann war es Juliane zu viel. Wahrscheinlich hasste sie ihn sogar. Sie wollte nicht mehr. Da bin ich mir sicher. Aber was glaubst du, wie kompliziert bei diesen wirtschaftlichen Verhältnissen eine Scheidung gewesen wäre.“
„Also du
Weitere Kostenlose Bücher