Norderney-Bunker
öligen Strähnen aus der Stirn.
„Schreib‘ es zu den anderen Sachen auf den Einkaufszettel“, schlug Lübbert vor.
In Ermangelung von Tee, Kaffee oder Mineralwasser nahmen beide noch rasch einen Schluck aus der Sektpulle, dann machten sie sich auf den Weg. Der Stadtteil Nordhelm lag in der späten Dämmerung, als sie den Bunker verließen und die Stahltür quietschend zudrückten.
„Wir brauchen Öl oder Fett“, bemerkte Lübbert mit Blick auf den Rost an den Türangeln. Winnetou nickte zustimmend. Er wie Lübbert fanden – ohne groß darüber zu reden – dass sie sich mittlerweile wirklich gut ergänzten.
Sie mussten nicht weit laufen, um das Haus zu erreichen, von dem Winnetou gesprochen hatte. Das Gebäude am Alten Schirrhof machte einen gediegenen bis vornehmen Eindruck. Die Rollläden waren heruntergelassen. An der Garage fiel Lübbert eine Seitentür mit Katzenklappe auf. Dass die Tür unverschlossen war, rang beiden ein verständnisloses Kopfschütteln ab. In der Garage harrten sie einen Moment aus und peilten die Lage. In der Tat: keine Geräusche, alles leise. Nichts, was darauf hinwies, dass Bewohner im Haus waren. Ihr Wirken hinterließ zwar einen etwas unbeholfenen Eindruck, aber mit dem Stemmeisen gelang es ihnen schließlich, die Tür zum Haus zu öffnen. Ihr erster Weg führte sie ins Wohnzimmer.
Sofagarnitur, Beleuchtung, Teppiche, Mobiliar: „Luxus pur“, hauchte Lübbert, der auf der Stelle feuchte Augen bekam. Dann ließ er sich in den mächtigen Sessel fallen, in dessen nach Rosenöl duftender Lederpolsterung er regelrecht versank. Er lehnte den Kopf nach hinten und drückte einen der zahllosen Knöpfe an der Armlehne; und schon hob es ihm die Beine über den Oberkörper. Wie beim Zahnarzt, dachte er, nur, dass man keine Angst haben muss. Und schon begann eine sanfte Massage, die Lübbert das Gefühl der Schwerelosigkeit vermittelte und wie auf Knopfdruck den kompletten Körper entspannte. Er schloss die Augen und dachte für einen Moment an seine vor der Insolvenz stehende Computerfirma in Aurich. Das Klopfen, Kneten und Flattern der sich nun geräuschlos aufpumpenden Luftkissen an der Wirbelsäule und an den Schultern ließ ihn jedoch schnell wieder all die bösen Gedanken vergessen und süße Träume träumen, zumal sich das Leder nun auch noch erwärmte und irgend ein weiterer Automatismus dieses Paradiessessels Musik zum Erklingen brachte. Da Lübbert sich mit klassischer Musik recht gut auskannte, wusste er, dass es Vivaldi war, der da den „Sommer in g-Moll“ aus seinen weltberühmten „Vier Jahreszeiten“ zum Besten gab. Weil er vor lauter Wohlgefühl nun nervös wurde, kletterte Lübbert aus dem Sessel heraus und setzte sich aufs Sofa. Auf dem Tisch mit der gewaltigen Steinplatte fiel ihm gleich die Zigarrenkiste auf. Cohiba Coronas Especiales , 25 Stück, stand auf dem Holz der Edelschatulle. Natürlich griff Lübbert gleich zu, wenn auch nahezu übertrieben ehrfurchtsvoll und wohl auch deshalb etwas umständlich. „Das ist nichts für Warmduscher“, dachte er, als er den ersten Zug an dem rund 15 Zentimeter langen kubanischen Genussbalken nahm und von göttlichem Schwindel befallen wurde. Erst da fiel ihm auf, dass Winnetou das Zimmer verlassen hatte.
Vivaldi hatte sein virtuoses Sommerintermezzo beendet, als Lübbert auf den Flur trat, wo er das Plätschern einer Dusche vernahm. Und in der Tat. Im Bad – der Architekt hatte sich mit gut 30 Quadratmetern an der Stelle besonders großzügig gezeigt – hatte Winnetou sämtliche Massagedüsen auf volle Kraft gestellt. Mit geschlossenen Augen und wilden Gesten schmetterte er „Purple Rain“, während es hinter der filigranen Glaswand nur so dampfte, sprudelte und zischte.
Eine gute Stunde später dachten sie, es sei nun doch an der Zeit, den Heimweg anzutreten. Zuvor hatte Lübbert noch rasch ein Vollbad in der mosaikgefließten Massagewanne genommen, die Zigarre zu Ende geraucht und sich ein paar Gläser Chablis genehmigt. Währenddessen war Winnetou bereits zum praktischen Teil übergegangen. In eine überdimensionale Strandtasche packte er zwei Kaschmirdecken, diverse Duftwässerchen, Haargel, eine Tageszeitung, zwei Sätze Unterwäsche, Schuhcreme, T-Shirts und die Zigarrenkiste. Allzu lange schienen die Hausbesitzer nicht der Insel fernbleiben zu wollen. Das erkannte Winnetou am bis obenhin gefüllten Kühlschrank. Schon während der oberflächlichen Inspektion des Luxuslagers lief ihm das Wasser im Mund
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