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Norderney-Bunker

Norderney-Bunker

Titel: Norderney-Bunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Reuter
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zusammen. Lachs, Garnelenspieße, Sushi, Kaviar, Gänseleberpastete, Carpaccio, Trüffel, Parmesanspäne: Die Vorfreude auf seinen bevorstehenden Geburtstag wuchs ins Unendliche. Da im ganzen Haus keine Plastiktüte zu finden war, sah er sich gezwungen, auf eine geräumige Handtasche aus Rindsleder aus dem Hause Prada zurückzugreifen. Dort hinein stopfte er rasch all das, was dem Anlass angemessen war, außerdem ließ er noch schnell Salzstreuer, Pfeffermühle, Duftkerzen und Servietten folgen. Das prall gefüllte Portemonnaie wollte er liegen lassen, da fiel ihm ein, dass er noch Kleingeld für Zigaretten brauchte. Kurzerhand nahm er die Geldbörse doch noch zur Hand, suchte sich fünf Euro in Münzen zusammen, legte den Geldbeutel zurück auf den Tisch und verließ zusammen mit dem bereits in der Garage wartenden Lübbert das Haus.
    „Warum bist du so außer Atem?“, fragte er seinen Kumpel. „Ich war noch eben schnell im Nachbarhaus“, sagte Lübbert.
    „Was hast du da gemacht?“
    „Du musst nicht alles wissen.“
    Natürlich hatte es in der Luxusvilla nicht an Getränken gefehlt. Kein Wunder also, dass die Laune im Bunker ob der Vorfreude darauf rasch stieg. Zunächst aber labten sich Winnetou und Lübbert an den Getränken, die sie noch vom Hausbesuch des Vortags übrig hatten. Als Lübbert dann mal für kleine Jungs musste, bemerkte er, dass die Stahltür immer noch gefährlich quietschte.
    „Sollst nicht leben wie ein Hund“, sagte er in Richtung Metallkoloss, nahm die Gänseleberpastete und schmierte einen guten Teil davon mit den Fingern über die Stahlanker und Scharniere. Diese ließen das Fett in der Delikatesse offenbar nicht unbeeindruckt. Schon nach wenigen Sekunden stellten sie das bereits vertraut gewordene Stöhnen und Ächzen ein.
    Es war kurz vor dreiundzwanzig Uhr, als Winnetou die Vorbereitungen für die Geburtstagfeier abschloss. Den Tisch hatte er mit Servietten ausgelegt, über die Stühle waren die Kaschmirdecken geschlagen. Auf dem Tisch leuchtete eine rote Duftkerze. Wie gut, dass sie das Porzellan in der Grundausstattung besaßen. Auf den Desserttellern, die er zuvor mithilfe der Decken vom gröbsten Staub befreit hatte, gruppierte er Lachs, Trüffel, Sushi und all die anderen Leckereien. Die Kaffeebecher füllte er mit dem Moët Chandon Impérial .
    „So gut ging es mir noch nie“, sagte Lübbert, als er sich die Reste der Gänseleberpastete vom Finger geleckt, den gedeckten Tisch gesichtet und Platz genommen hatte.
    „Fest steht jedenfalls, dass ich all diese leckeren Sachen niemals hätte zu mir nehmen können, wenn wir uns nicht über den Weg gelaufen wären“, antwortete Winnetou, und noch während er sprach, schien sich seine Stimmung um 180 Grad zu drehen.
    Er warf seinem Gegenüber plötzlich einen äußerst unfreundlichen Blick zu. Dann ergänzte er in dem ihm eigenen Zynismus: „Ja, Lachs, Carpaccio und Champagner vom Feinsten. All das hätte ich nie gehabt, wenn – ja wenn du mir nicht nach Norderney nachgereist wärst und mich zusammengeschlagen hättest.“
    „Du hast mir also immer noch nicht verziehen?“, fragte Lübbert. Er saß ganz still auf seinem Stuhl, seine Augen zuckten nervös. Er schien es ernst zu meinen.
    „Ich sage dir noch einmal. Es tut mir wirklich leid. Ich weiß auch, dass wir uns in einer absolut absurden Situation befinden.“
    „Vielleicht schreibe ich später darüber mal ein Buch“, flüsterte Winnetou. Er hatte seinen Kopf mit einer Hand auf der Tischplatte abgestützt, die frisch gewaschenen Haare glänzten endlich wieder seidig-schwarz und fielen locker zur Seite. Mit der anderen Hand nahm er nun den Kaffeebecher und trank einen kräftigen Schluck Champagner. Dann griff er zu den Zigaretten.
    „Hast du mal Feuer, ich kann mein Feuerzeug nicht finden?“
    Lübbert tastete in seine Hosentasche und kramte eine Schachtel Streichhölzer hervor. Winnetou zog an der Gauloises, dann nahm er den Gesprächsfaden wieder auf: „Ja, genau. Und dann wird das Buch ein Bestseller. Ich werde berühmt und gehe auf große Lesereise durch ganz Deutschland.“
    „Ich drück dir die Daumen“, sagte Lübbert, der sich nun mit spitzen Fingern drei Scheiben Carpaccio nahm und auf seinen Teller fallen ließ. Es folgten Pfeffer, Salz, Zitronensaft, Olivenöl und ein paar Parmesanspäne. Dann nahm er die Gabel, wuchtete sie in den Gourmetklumpen und schob ihn mit geschlossenen Augen zwischen die Zähne. Winnetou ließen die doch reichlich

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