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Norderney-Bunker

Norderney-Bunker

Titel: Norderney-Bunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Reuter
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ebenfalls ganz in Schwarz, die ihre langen blonden Haare kunstvoll zu einem Zopf gebunden hatte, und Arno Breuer, der Hausmeister. Auch er erschien korrekt gekleidet, wenngleich seine Krawatte recht schlampig gebunden schien. Vor dem finalen Segen durch den Pastor rang sich der Vorsitzende des örtlichen Hotel- und Gaststättenverbands noch zu einer Grabrede durch. Der Mittvierziger mit dem streng zurückgekämmten, bereits etwas schütteren dunklen Haupthaar lobte das Engagement Adens und dessen unermüdlichen, selbstlosen Einsatz für die Gastronomie auf der Insel. Besonders hob er sein bescheidenes Auftreten in der Öffentlichkeit und den Einsatz für touristische Belange hervor. Ob das Räuspern einiger Trauergäste eine Reaktion auf den Inhalt der Grabrede war oder ob es dem aufkommenden Wind geschuldet war, konnte Faust, dem aufgrund der Sause vom Vorabend immer noch speiübel war, nicht genau ergründen. Während der Soko-Chef jedenfalls keine verdächtigen Personen oder Handlungen ausmachen konnte, kam er abschließend dennoch in den Genuss eines bei einer Beerdigung eher seltenen Ereignisses: Noch während der Pfarrer den Segen sprach, nahm eine besonders heftige Windöe Besitz von Julianes Hut. Die Kopfbedeckung wirbelte samt Schleier durch die Luft, ehe sie in hohem Bogen ins Grab des Ermordeten schwebte und auf dem opulenten Blumenbouquet des Sarges liegen blieb. Eine filmreife Szene. Audrey Hepburn hätte ihre Freude daran gehabt. Die Fassungslosigkeit der Gäste ob der Skurrilität des Augenblicks entlud sich unterdessen in einem lang anhaltenden Raunen. Während Juliane Aden, die den Abflug ihres Hutes ungerührt hingenommen hatte, wenige Sekunden später ans Grab ihres Mannes trat, um sich nun endgültig von ihm zu verabschieden, vibrierte Fausts Handy in der Hosentasche. „Du musst sofort zum Leuchtturm kommen. Die Sache eskaliert. Gruß Gent.“
    Winnetou und Lübbert hatten sich von der Geburtstagsfeier recht gut erholt. Die neuen Kaschmirdecken waren ein Volltreffer; sie hatten ihnen ausreichend Wärme und Behaglichkeit für einen erholsamen Schlaf gespendet. Außerdem waren sie bereits um kurz nach zwei eingeschlummert, sodass sich der Genuss von Alkohol arg in Grenzen hielt. Zwar waren vom Vorabend noch jede Menge Delikatessen vorhanden, aber in Sachen Frühstück verfestigte sich der Wunsch nach knackigen Brötchen mit Marmelade und einem weich gekochten Ei.
    Sie waren sich darüber im Klaren, dass sie nun ein besonders hohes Risiko eingehen würden; aber nachdem sie aufgeräumt hatten, zogen sie sich die neuen T-Shirts über. Winnetou band sich in gewohnter Manier die Haare zurück und zog sein Basecap auf. Lübbert wickelte das Halstuch wieder bis über die Augenbrauen um die Stirn – dann zogen sie los. Während ganz in der Nähe die Martinshörner scheinbar zahlloser Einsatzfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Promedica die Aufmerksamkeit von Gästen und Inselbewohner auf sich zogen, waren Winnetou und Lübbert bereits durch den Garageneingang in der ihnen bereits bestens vertrauten Wohnung am Alten Schirrhof verschwunden.
    „Die rasen alle Richtung Leuchtturm, sicher ist dort was Schlimmes passiert“, sagte Lübbert, der am Küchentisch Platz genommen hatte. Aus dem Portemonnaie nahm Winnetou gleichzeitig ein Zwei-Euro-Stück.
    „Das müsste für vier Brötchen eigentlich reichen“, sagte er. Bevor er sich auf den Weg in die Bäckerei um die Ecke machte, nahm er aus dem Kleiderschrank eine Jeans, die perfekt passte. Das traf auch für die Sneaker zu, die er im Schuhschrank fand. Dann putzte er sich noch schnell die Zähne und lief los.
    „Sei bloß vorsichtig“, rief Lübbert ihm mit besorgter Miene nach.
    Als Winnetou nach gut zehn Minuten mit den Brötchen zurückkehrte, war der Tisch bereits gedeckt. Lübbert hatte vier Eier gekocht, außerdem eine Kanne Kaffee. Marmelade, Wurst und Schinken waren ebenso bereitgestellt wie Salz, Butter und Tomaten. Auch das geklaute Radio lief. Just in dem Moment, als Winnetou den Raum mit breitem Lächeln betrat, verlas der Moderator des lokalen Insel-Senders die Nachrichten. Im Mittelpunkt stand neben einer Kneipenschlägerei das neuerliche Auslösen einer automatischen Brandmeldeanlage. Dieses Mal war eine Wohnung im Gebäudetrakt des Badehauses betroffen, wo ein Toaster eine Scheibe Brot bis zur Unkenntlichkeit verkokelt hatte. Der unvermeidliche Rauch war zur Decke gestiegen und hatte das sensible Gerät auf diese Weise in Alarmzustand

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