Norderney-Bunker
Hals.“
„Ja, ich weiß. Es ist mit denen wie im Zoo. Du wirfst den Löwen ein paar Happen hin, und dann können sie sich eine ganze Weile damit vergnügen und stellen keine Ansprüche.“
Visser hatte gar nicht gehört, dass es an der Tür geklopft hatte.
„Herein“, rief Faust so laut, dass Visser sich erschrak. Als der Besuch nach kurzem Zögern eintrat und die Fahnder ihn in den Blick nahmen, spannte sich ihre Gesichtsmuskulatur augenblicklich an. Ein gertenschlanker Mann, knapp zwei Meter groß, Anfang Dreißig, dunkler Anzug, streng zurückgegelte, dunkelbraune Haare, randlose Brille, sächsischer Akzent, leicht abstehende Ohren, trat ein. Die Polizisten schwiegen.
„Bin isch hier richtisch bei der Sögö, die wo die gonzen Mörde uffklären söll?“
Visser kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn, Faust zog eine Fratze und versteckte sein Gesicht hinter beiden Händen. Er hoffte inständig, dass der Besucher nicht weiterredete, sonst würde sich sein Lachen explosionsartig entladen.
„Meine Herrn, die Dame ünten im Bürgerbürö hat mir gesocht, dass isch Sie hier finde.“
Visser hatte sich deutlich besser im Griff als Faust. Er kannte den Mann, zumindest vom Sehen.
„Ja, Sie sind richtig hier“, antwortete Visser. „Was können wir für Sie tun?“
„Nüün. Isch möschte eine Aussoorje mochen. Alsö: Isch genne diesen Winnedü. Den Monn mit den schworzen longen Hooren, den Sie süchen.“
Faust nahm die Hände vom Gesicht und schaute auf.
„Erzählen Sie“, befahl er dem Besucher kurz.
„Isch orbeide in der Spielbonk. Da wor der vor ein paar Toogen. Das wor der Obend, als der doote Hötelier den Jackpött geknockt hot. Dieser Winnedü stand dabei und hot dem Hötelier grotuliert.“
Visser und Faust horchten auf. Faust bot dem Gast einen Stuhl an und fragte: „Wie heißen Sie eigentlich?“
„Möritz, Fronk Möritz.“
„Also, Herr Moritz“, sagte Faust und schaute dabei Visser in die Augen. „Das würde bedeuten, dass der Gesuchte, der Herr May, der aussehen soll wie Winnetou, Aden kannte.“
„In der Tat. Und dass Geld im Spiel war“, ergänzte Visser.
Faust kratzte sich an der Schläfe.
„Und der Häuptling war obdachlos und lediglich auf der Insel, weil er den Aufenthalt gewonnen hat.“
„Und weil er vorausschauend dachte und Geld brauchte, hat er sich in der Spielbank umgesehen.“
„Und dort sah er per Zufall, wie Aden den Jackpott knackte.“
„Und damit kannte der Apache von der einen Sekunde auf die andere einen Mann, der Kohle hat.“
„Vielleicht hat er sich von ihm ein Trinkgeld erhofft.“
„Und als er keines bekam und Aden ihn abblitzen ließ, dachte er: Warte Freundchen, dann besuch ich dich in den nächsten Tagen und hole mir alles.“
Visser wandte sich nun wieder dem Spielbank-Mitarbeiter zu. „Haben Sie gehört, was da gesprochen wurde? Könnte es zutreffen, dass er sich von Aden Geld erhoffte? Haben Gesten darauf hingewiesen? Wie waren die Blicke der beiden? Haben Sie sich angelacht?“
Moritz trank den Kaffee, den Faust ihm ohne zu fragen auf die Schreibtischecke gestellt hatte.
„Ne. Gehört hob isch gor nix. Da standen jo uch noch ondere Leute rüm. Isch hob nür gesehen, wie der Indioner dem Gewinner die Hond geschüttelt hot. Donn hot der Hötelier wos gesocht; und der Indioner ist gegongen.“
„War er verärgert oder hat er gelacht? Was hatten Sie für einen Eindruck?“, fragte Faust.
„Isch gloobe, er war eher traurisch.“
Als Frank Moritz das Soko-Büro verlassen hatte, griff Faust zum Telefon und bestellte bei Dino zwei Pizzen und rief Hanno Bayer zu Hause an. Während der Inspektionschef und er klarmachten, dass am folgenden Morgen mehrere Hundertschaften den Insel-Osten durchkämmen würden, räumte Visser einen der Schreibtische zum Essen leer.
„Ich glaube jetzt fast wirklich nicht mehr, dass Adens Witwe etwas mit der Sache zu tun hat“, sagte Faust, nachdem er den Hörer krachend aufgelegt hatte.
„Ich würde trotzdem noch mal das Personal verhören“, flüsterte Visser, der regelrecht gedankenversunken schien und auf einem Streichholz rumknabberte. „Vor allem aber frage ich mich, was der Mord an der Schreiberin mit Adens Tod zu tun hat. Da stehe ich komplett auf dem Schlauch.“
„Vielleicht steckt doch irgendeine Mafia dahinter. Rotlichtmilieu und so weiter. Immerhin hat die Mayer-Lübbecke in ihrem Blatt ganz schön ausgeteilt.“
„Und der langhaarige Spielbankbesucher und Reisegewinner,
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