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Norderney-Bunker

Norderney-Bunker

Titel: Norderney-Bunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Reuter
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die schlachten die Sache bis auf den blanken Knochen aus.“
    Dann wandte er sich erneut an Faust und schrie: „Tun Sie endlich was. Nehmen Sie den Mörder fest und sorgen Sie endlich dafür, dass auf unserer Insel wieder Ruhe und Frieden einkehren.“
    Im Soko-Büro herrschte nun eiskalte Stille. Der Kurdirektor hatte rittlings auf einem Drehstuhl Platz genommen und starrte auf einen Bildschirmhintergrund, der die Weiße Düne zeigte. Der Rathauschef stand starr und stumm vor Faust in Erwartung einer Antwort oder irgendeiner Reaktion. Doch der hatte hinsichtlich dieser einseitigen verbalen Auseinandersetzung die Flinte längst ins Korn geworfen. Mehrmals nämlich hatte er versucht, etwas zu den Vorwürfen zu sagen, doch jedes Mal war er lautstark übertönt worden. Deshalb zeigte er dem Bürgermeister nun demonstrativ den Rücken und schaute aus dem Fenster runter auf den Kurplatz. Das wiederum fand der Bürgermeister überhaupt nicht lustig. Er machte zwei Schritte zurück und wandte sich Visser zu, der ebenfalls beharrlich schwieg. Am ganz offensichtlich steigenden Blutdruck und an den Augen, die nun immer finsterer wirkten und innerhalb weniger Sekunden aus dem Kopf traten, erkannte er, dass die nächste verbale Sturmflut unmittelbar bevorstand. Gent hatte sich nicht getäuscht.
    In derselben Sekunde zerschnitt die Stimme des Bürgermeisters die Stille des Raums: „Gent“, schrie er. „Du bist doch Insulaner. Warum tut ihr nichts? Verdammt noch mal. Es kann doch nicht so schwer sein, auf dieser kleinen Fläche zwei Mörder zu finden. So groß ist Norderney doch nun wirklich nicht. Wenn wir hier bei der Stadt und in der Kurverwaltung so schlampig arbeiten würden, dann hätte Norderney seinen letzten Feriengast schon längst gesehen.“
    Auch Gent zog es vor, zu schweigen. Er erwiderte zwar den Blick des Bürgermeisters, zeigte dabei aber keine Gefühlsregung. Was nützt es schon, wenn ich ihm erkläre, dass die Soko verdoppelt worden ist und dass zurzeit zwei Hundertschaften durch den Insel-Osten laufen, dort jede einzelne Düne auf links drehen und möglicherweise das Wrack nach Fingerabdrücken und DNA-Spuren untersuchen, dachte er. Gleichzeitig spürten alle im Soko-Büro, dass – zumindest fürs Erste – alles gesagt war. Das Gewitter hatte sich entladen, der Sturm war vorüber. Zurück blieben zwei stumme Polizisten, ein vor Wut schnaubender Kurdirektor und ein entschlossener – wenn auch inzwischen leiser – Bürgermeister.
    „Meine Herren, glauben Sie mir. Wir werden auf die schlampige Arbeit der Polizei reagieren und eine eigene, politische Lösung präsentieren“, sagte er fast im Flüsterton und schaute den Kurdirektor an. Der spitzte die Lippen und zischte: „Und diese Lösung wird sich gewaschen haben.“
     

Ein neuer Anlauf

    Faust und Visser machten sich auf den Weg zum Hotel Weißer Sand in die Winterstraße. Sie hatten sich vorgenommen, die Sache ebenso besonnen wie professionell und darüber hinaus wieder ganz von vorne aufzurollen. Ihr erster Weg führte sie deshalb ins Hotel, um das Personal erneut zu vernehmen.
    „Wir haben keine andere Chance“, sagte Visser, als sie am Haus der Insel vorbeiliefen.
    „Ich hoffe ja immer noch auf einen entscheidenden Tipp aus der Bevölkerung“, antwortete Faust, den die Auftritte des Bürgermeisters und des Kurdirektors wohl doch nicht so kalt gelassen hatten, wie er nach außen hin tat.
    „Gent. Du kennst dich doch hier auf der Insel bestens aus. Was meinen die beiden mit einer eigenen, politischen Lösung?“
    Visser blieb stehen und schaute Faust in die Augen.
    „Ich bin mir fast sicher, dass sie die komplette politische Prominenz in Aufruhr versetzen werden. Sie werden sämtliche Bundes- und Landtagsabgeordneten auffordern, auf die Lage hier Einfluss zu nehmen.“
    „Das bringt doch nichts.“
    „Ich weiß. Es macht uns nur zusätzlich das Leben schwer. Der Druck auf uns wird wachsen.“
    Faust räusperte sich. Er zog die Zigarettenschachtel aus der Hemdtasche und bot Visser eine an. Der lehnte ab.
    „Woran denkst du gerade?“, fragte Visser ihn dann, weil das Grinsen in Fausts Augen nun nicht mehr zu übersehen war.
    „Ich stelle mir gerade vor, wie es bei uns im Soko-Büro an der Tür klopft und der Bundespräsident erscheint.“
    „Na und?“
    „Nun. Er würde sagen, dass er sich ab sofort persönlich um den Fall kümmern möchte. Und er würde sagen, dass er extra unseretwegen eine Reise in den Nahen Osten abgesagt

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