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Norderney-Bunker

Norderney-Bunker

Titel: Norderney-Bunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Reuter
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brennende Zigarette in den Aschenbecher. Zunächst schaute sie wieder zu Boden, dann blickte sie Faust in die Augen.
    „Geht’ s noch?“, fuhr sie ihn dann an.
    „Was für eine blöde Frage“, keifte sie. Dann stand sie auf und fragte mit einer Entschlossenheit im Blick, den die Fahnder überraschte.
    „Darf ich jetzt gehen? Ich glaube nicht, dass Sie noch eine Frage an mich haben, die Sie in der Sache weiterbringen könnte.“ Ohne die Antwort abzuwarten, trat sie zur Tür und verließ das Back Office.
    Visser verzog den Mund und linste über den Brillenrand hinüber zu Faust. Der drückte Nicoles Zigarette aus und brummte: „Komm. Lass uns gehen.“
    Die Kunde von der Sondersitzung des Norderneyer Stadtrats hatte sich via Radio SWS in Windeseile verbreitet. Der Bürgermeister hatte sich mit den Fraktionsvorsitzenden am Nachmittag auf die Schnelle darauf verständigt, bereits am Abend um 18 Uhr im Haus der Insel zusammenzukommen. Einziger Tagesordnungspunkt: „Gründung einer Bürgerwehr“.
    Dass diese Sitzung öffentlich sein sollte, daran bestand kein Zweifel. Deshalb war es auch keine Frage, dass die Jungs vom Sturmwellensender die Sitzung wie gewohnt live in die Haushalte der Insel transportierten. Trotzdem war das Interesse an dem Thema derart groß, dass sich an die 60 Einwohner einfanden, um die Beratung als Besucher direkt vor Ort zu erleben.
    „Nu maken wi sülvens een Soko“, spottete ein älterer Herr, den sie auf der Insel Bonno nannten und der bekannt dafür war, während der abschließenden Einwohnerfragestunden immer besonders kritische Fragen zu stellen.
    „Meine Damen und Herren“, ergriff der Bürgermeister das Wort. „Wir müssen jetzt Initiative zeigen. Es geht um unsere Existenz.“
    Lang anhaltender Beifall brandete ihm entgegen, während der Vorsitzende der SPD-Fraktion die Hand hob und betonte, dass man sich als stärkste Fraktion im Norderneyer Stadtrat selbstverständlich an den Wachen und Kontrollgängen einer Bürgerwehr beteiligen werde. Normalerweise hätte der Fraktionsvorsitzende der CDU an der Stelle seinem sozialdemokratischen Kollegen Populismus vorgeworfen. Doch heute tickten die Uhren auf der Insel anders. Als der CDU-Mann das für die Gründung einer Bürgerwehr zustimmende Signal der SPD begrüßte und auch die Grünen sowie die Freie Wählergemeinschaft den Vorschlag der Verwaltung lobten, ging ein mächtiges Raunen durch das Haus der Insel . Die Abstimmung war reine Formsache, der Beschluss einstimmig und die Sitzung nach nicht einmal fünf Minuten beendet. Als es auch vonseiten der Bürger keine Frage gab, ließ der Radiomoderator die Zuhörer wissen: „Die Sensation ist perfekt. Kein Streit, keine Kritik, keine bösen Worte. Eine solche Einmütigkeit hat es im Rat der Stadt Norderney seit unzähligen Jahren nicht mehr gegeben.“
    Sie hatten bis in den Nachmittag hinein geschlafen. Gemessen an dem, was sie sich an den Vortagen an Kulinarischem gegönnt hatten, fiel die erste Mahlzeit des Tages ein wenig karg aus. Es war nur noch eine Kante Brot vorhanden, schon reichlich trocken. Auch Wurst, Schinken und Pastete machten nicht mehr den frischesten Eindruck. Gut, dass sie am Abend zuvor in zwei prall gefüllten Plastiktüten den Müll noch aus dem Bunker geschafft hatten. Rein geruchsmäßig hätten sich sonst die ersten unangenehmen Begleiterscheinungen gezeigt. Sie mussten ohnehin davon ausgehen, dass sich die ersten Mäuse in die Bunker-WG eingeschlichen hatten; kleine, dunkle Krümel am Boden, an den Tellerrändern und auf dem Tisch wiesen deutlich darauf hin.
    „Wir müssen heute Abend noch mal los“, sagte Lübbert.
    Nachdem beim Weinfest eine Besucherin seine gestohlene Kleidung erkannt und er sich fürchterlich erschrocken hatte, war er nun wieder etwas mutiger geworden. Und da Winnetou zu diesem Zeitpunkt einen ziemlich gleichgültigen Eindruck hinterließ, fiel es Lübbert nicht schwer, ihn zur nächsten Einbruchstour zu überreden, damit sie vom insularen Bunkerstandard her wieder den Status der vergangenen Tage erlangen konnten. Mit Bedauern stellten sie fest, dass der Besitzer der Zweitwohnung am Alten Schirrhof wieder auf Norderney sein musste. Die Rollläden waren hochgezogen, der Daimler parkte auf dem Kies vor der Garage. Zwei junge Männer in Overalls waren dabei, oberhalb der Haustür eine Videokamera zu installieren. Also zogen sie ein paar Straßen weiter. In der Emsstraße wurden sie schnell fündig. Dort konnten sie nach dem

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