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Norderney-Bunker

Norderney-Bunker

Titel: Norderney-Bunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Reuter
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Strickmuster der vergangenen Tage vorgehen: Der Neubau war ebenfalls von der luxuriösen Sorte, komplett eingerichtet, der Kühlraum mit dem Feinsten gefüllt, und die Bäder gehörten der absoluten Extraklasse an. Auch hier wies alles darauf hin, dass zumindest heute niemand mehr ins traute Heim zurückkehren würde. In dem Wandkalender waren die Tage für den Urlaub auf den Malediven rot umrandet.
    Grünes Licht also für Winnetou und Lübbert. Nach einem ausgiebigen Duschbad brutzelten sie sich zwei saftige Hüftsteaks, kochten einen ganzen Topf Kartoffeln und wärmten tiefgefrorene Möhren und Erbsen auf. Winnetou drückte wahllos einen Knopf der Fernbedienung, die auf dem Esstisch lag. Die Stimme, die beinahe singend aus den Wand- und Regallautsprechern ertönte, kam ihnen bekannt vor.
    „Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, das war sie nun: die Live-Übertragung von Radio SWS von der Sondersitzung des Norderneyer Stadtrats im Haus der Insel. Wir dürfen also gespannt sein, ob es der Norderneyer Bürgerwehr gelingen wird, die beiden Schwerverbrecher, die sich mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nach wie vor auf unserer Insel aufhalten, festzunehmen. Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch einen angenehmen, möglichst einbruchsfreien Abend.“
    Winnetou verschluckte sich, er musste heftig husten.
    „Jetzt wird’s ernst. Ich mache das jetzt nicht mehr länger mit", stammelte er und schaltete das Radio aus.
    Lübbert nahm die Nachricht ungerührt zur Kenntnis und aß in aller Seelenruhe weiter. Winnetou schob den Teller beiseite und ließ das Besteck krachend hineinfallen.
    „Warum sagst du nichts? Hast du nicht gehört, was da los ist? Die schicken jetzt die Bürger los. Eine Bürgerwehr ist oft effektiver als die Polizei mit einer ganzen Hundertschaft. Ich kenne das.“
    „Was kennst du?“
    „So etwas gab es vor ein paar Jahren mal in einem kleinen Dorf in der Nähe der luxemburgischen Grenze. Das habe ich im Kölner Stadtanzeiger gelesen. Da hatte eine Einbruchserie einer Rumänenbande die Gemeinde in Angst und Schrecken versetzt. Als die dann eine Bürgerwehr gründeten, sank das Image der Polizei von einem Tag auf den anderen gegen null. Und weißt du was?“
    „Nee.“
    „Die Jungs von der Bürgerwehr haben tatsächlich geschafft, was die Polizei vorher zwei Wochen lang vergeblich versuchte – sie schnappten die Einbrecher und übergaben sie – in Anwesenheit der Presse übrigens – den reichlich angefressenen Soko-Leuten.“
    „Du willst also damit sagen, dass du vor der Bürgerwehr mehr Angst hast als vor der Polizei.“ Lübbert fasste sich an den Kopf.
    „Ja, mein Lieber. Und ich sage dir, dass ich nun keine Lust mehr habe. Ich gehe jetzt hier raus und stelle mich der Polizei.“
    Winnetou nahm einen großen Schluck aus dem Weinglas, dann wischte er mit dem Ärmel seinen Teller mitsamt Besteck und Wasserglas vom Tisch, dass es auf den Fliesen nur so krachte. Dann legte er den Kopf auf den Tisch, ließ die Arme nach unten baumeln – und weinte.
    Lübbert hatte inzwischen auch mit essen aufgehört und seinen Teller zur Seite geschoben. Er schwieg zunächst einige Sekunden, dann fuhr er seine Pranke aus und streichelte Winnetou damit vorsichtig über den Kopf.
    „Hey, Häuptling. Lass den Kopf nicht hängen. Wir überlegen jetzt erst einmal in aller Ruhe, was am besten ist. Wir dürfen jetzt nichts überstürzen.“
    Winnetou antwortete nicht. Lübbert merkte, dass seinem Freund vom Weinen die Nase lief. Er schob ihm eine Serviette hin. Winnetou nahm sie, wischte damit die Tränen aus den Augen und putze sich das Nasensekret danach mit dem Ärmel ab. Lübbert hatte ihn dabei die ganze Zeit beobachtet. Dann endlich gab Winnetou wieder einen Laut von sich.
    „Gefängnis“, murmelte er kaum hörbar.
    „Was ist?“
    Lübbert zog die Stirn in Falten und hielt eine Hand hinters Ohr.
    „Wir werden beide im Gefängnis landen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind wir ja auch tatsächlich die Mörder des Hoteliers und wir wandern zu Recht in den Knast. Und selbst, wenn wir es nicht sind, und die uns kriegen, werden wir eingebuchtet. Denn du glaubst doch nicht, dass die Polizei, wenn sie uns gefunden hat, noch nach anderen Tätern suchen wird. Also, Lübbi, wir können die Sache drehen und wenden wie wir möchten. Wir sind geliefert.“
    „Nun mach mal langsam“, wandte Lübbert ein. „Es besteht immerhin noch die Chance, dass sie den richtigen Mörder

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