Nordfeuer - Kriminalroman
angesetzt.«
»Ja, aber später müssen wir ja auf
Patrouille«, warf einer der Männer am Tresen ein. Tom blickte sich interessiert
um, während Haie sich mit den anderen darüber unterhielt, wie und wo sie am besten
die Brandwache organisierten.
Nach und nach füllte sich der Gastraum
doch und als der Bürgermeister endlich die Versammlung eröffnete, waren wieder alle
Plätze in der Wirtschaft belegt.
»Ich kann es dir nicht erklären«,
raunte Tom seinem Freund zu, als die Menge gerade abstimmte, welcher der Freiwilligen
wo eingesetzt werden sollte. »Aber irgendwie habe ich das Gefühl, der Typ ist tatsächlich
hier.«
Er hatte sich jeden der Anwesenden
genauestens angesehen und auch die Reaktionen der Leute beobachtet, als man über
den letzten Brand in Blocksberg und die offensichtlichen Lücken bei der Bewachung
des Dorfes sprach. Ein Mann war ihm besonders ins Auge gefallen.
»Den hab’ ich hier auch noch nie
gesehen.«
Haie wandte sich so unauffällig
wie möglich um.
»Ach, das ist der Bruder der Ermordeten.
Erk Martensen.«
»Was macht der denn hier?«
»Keine Ahnung.«
Haie fand es auch seltsam, dass
Erk Martensen die Versammlung besuchte. Sollte er sich nicht lieber um seine Eltern
kümmern? Sie bei den Vorbereitungen für die Beerdigung unterstützen? Ihnen beistehen?
Und trauerte er nicht selbst um
seine Schwester? Oder war er hier, weil auch er glaubte, der Täter befände sich
unter ihnen?
»Aber der grinst die ganze Zeit«,
bemerkte Tom.
Vielleicht lag das an der nicht
unbeachtlichen Menge Alkohol, die er bereits getrunken hatte. Haie hatte gesehen,
wie der Wirt dem jungen Mann ein Bier nach dem anderen hinstellte.
»Wahrscheinlich versucht er seinen
Schmerz zu betäuben.«
»Hier?«
Tom hatte recht. Eine überfüllte
Kneipe, in der man laut über die Bekämpfung des Brandstifters lamentierte, war wirklich
nicht der geeignete Ort, an dem man angemessen um die ermordete Schwester trauerte.
Zumal der Mord an Katrin Martensen natürlich auch diesmal wieder Thema in den Gesprächen
unter den Anwesenden war.
»Dass die Polizei da aber auch nichts
tut. Das is’ ja man nich nur ein Brandstifter, sondern auch ’n Mörder, näch?«
Vor allem die Männer am Tresen hatten
ein lautes Mundwerk.
»Ich habe gehört, dass es unterschiedliche
Täter sein sollen.«
Erk Martensen war aufgestanden und
blickte in die Runde. Fast sah es so aus, als erwarte er Beifall. Auf jeden Fall
genoss er seinen Auftritt. Die anwesenden Gäste waren nach seiner Aussage verstummt.
Es war so still im Raum, man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören. Gebannt
starrten alle auf den jungen Mann, der ohne ein weiteres Wort einen nach dem anderen
intensiv musterte.
Tom fröstelte, als er an der Reihe
war. Der Blick hatte etwas Eigenartiges an sich. Er hätte es nicht in Worte fassen
können, aber er fühlte sich unterschwellig bedroht von diesem Mann.
Der Wirt, der über die meiste Erfahrung
mit alkoholisierten Menschen verfügte, fasste sich als Erster.
»Und wo willst du das gehört haben?«
»Von der Polizei.«
Ein Raunen ging durch den Raum.
Die Kripo ging also von zwei Tätern aus. Das wurde ja immer schlimmer. Wie sollten
sie sich dagegen schützen?
»Und hat die Polizei auch gesagt,
wer deine Schwester umgebracht haben könnte?«, fragte der Inhaber der Gastwirtschaft
schonungslos weiter.
Er mochte Erk Martensen nicht besonders,
der sich in seinen Augen für etwas Besseres hielt, seit er vom Dorf in die große
Stadt Hamburg gezogen war. Er fragte sich sowieso, was Erk hier wollte. Kam ja sonst
nie in die Kneipe.
»Einer von euch?«
Ein erneutes Raunen erhob sich,
das sich nach dieser Bemerkung allerdings nicht legte, sondern zu einem lauten Geschrei
anschwoll.
»Das ist ja wohl unverschämt!«
»Die sind ja nicht ganz dicht!«
»Wer soll das denn sein?«
Alle redeten wild durcheinander.
Man konnte sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Die Männer vom Tresen drohten
mit hochrotem Kopf Erk Martensen sogar Prügel an.
Der Bürgermeister versuchte, sich
Gehör zu verschaffen, indem er mit einem Löffel gegen sein Glas schlug. Als dies
erfolglos blieb, schlug er so fest mit seiner Faust auf den Tresen, dass er anschließend
laut vor Schmerz aufschrie.
»Aua, verdammt!«
»So wird das nichts«, raunte Haie
Tom zu, stand auf und kletterte auf den Tisch.
»Leute«, schrie er und stampfte
dabei mit seinem Fuß auf. »Is’ gut nu!«
Tom musste schmunzeln. Diese resolute
laute Art war
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