Nordfeuer - Kriminalroman
eigentlich nicht Haies Art. So kannte er den Freund gar nicht – und
die anderen Dorfbewohner anscheinend auch nicht.
Plötzlich war es mucksmäuschenstill
im Raum und alle starrten auf Haie, der auf dem Tisch wirklich ein seltsames Bild
bot.
»Wir sind nicht hier, um einen Mordfall
zu klären. Das ist Sache der Polizei«, setzte er an, um die Anwesenden an den eigentlichen
Grund ihrer Zusammenkunft zu erinnern.
»Die Brandwache muss organisiert
werden, und nun lasst mal den Bürgermeister den Plan für die nächsten Tage vorstellen.«
Ein leises Gemurmel erfüllte den
Raum, als Haie von dem Tisch kletterte, aber im Gegensatz zu vorher blieb es verhältnismäßig
ruhig. Tom bezweifelte zwar, dass irgendeiner der Anwesenden sich noch für die Organisation
der Wachpatrouillen interessierte, aber zumindest gab es keine weiteren Tumulte.
Als die Regelungen abgeschlossen
waren, löste sich die Versammlung jedoch nicht auf. Jeder wollte sich über die Anschuldigungen
austauschen.
»Ja, aber
wir haben doch letztes Mal selbst darüber diskutiert, ob der Brandstifter vielleicht
unter uns ist«, gab Haie zu bedenken, als sich sein Tischnachbar lautstark über
die haltlosen Behauptungen der Polizei mokierte.
»Dat is’ ja wohl wat anderes als
’n Mord.«
»Na ja«, mischte Tom sich ein, »soweit
ich weiß, war Katrin Martensen bei der letzten Versammlung bereits tot. Ob nun der
Brandstifter oder jemand anders sie umgebracht hat – Mord bleibt Mord.«
»Aber wer soll sie denn umgebracht
haben?« Der Mann im Karohemd vom Nebentisch kratzte sich am Kopf.
»Ich hab gehört«, meldete Haie sich
nun wieder zu Wort, »sie soll da mit mehreren Männern gleichzeitig was am Laufen
gehabt haben. Vielleicht war es eine Eifersuchtstat.«
»Ach wat«,
der Wirt war zu ihnen getreten und gab nun auch seine Meinung zum Besten. »Das sind
doch alles solche Jünglinge. Die sind zu so etwas gar nicht fähig. Dat muss schon
jemand anderes gewesen sein.«
Marlene wollte auf dem Heimweg noch schnell ein paar Dinge fürs Abendessen
besorgen und bog daher von der Dorfstraße auf den kleinen Parkplatz gegenüber dem
SPAR-Markt ab.
Zwischen einem roten Kombi und einem
Golf war noch eine Lücke frei, allerdings standen dort zwei Männer und unterhielten
sich miteinander.
Marlene wollte gerade durch ein
Hupen andeuten, dass sie ihren Wagen gerne dort abstellen wollte, als einer der
Männer weit ausholte und auf den anderen einschlug. Im Nu entwickelte sich eine
handfeste Schlägerei zwischen den beiden.
Was ist denn mit denen los, wunderte
sich Marlene und stieg aus.
»Hallo, aufhören«, rief sie zu den
beiden Männern hinüber. Doch die nahmen sie gar nicht wahr, sondern prügelten weiter
aufeinander ein.
»Du bist schuld. Du hast sie umgebracht«,
schrie der Schmächtigere der beiden immer wieder. Er war dem Dunkelhaarigen zwar
körperlich unterlegen, wehrte sich aber gegen die Schläge mit Leibeskräften.
»Bist du verrückt. Du warst doch
eifersüchtig wie ein Luchs«, keifte der andere zurück.
Marlene schloss aus den wenigen
Wortfetzen, dass es um den Mord an Katrin Martensen ging.
»Hallo«, versuchte sie erneut, sich
bemerkbar zu machen. Diesmal mit Erfolg. Die Männer stoben geradezu auseinander
und schauten sie mit großen Augen an. Allerdings nur wenige Sekunden lang, dann
senkten sie den Blick und liefen jeder zu einem Auto. Noch ehe Marlene reagieren
konnte, heulten die Motoren auf und die Männer fuhren mit quietschenden Reifen vom
Parkplatz.
Sie brauchte einen Moment, um zu
begreifen, was hier eigentlich gerade geschehen war.
»Haben Sie das gesehen?«, fragte
Marlene die Ladenbesitzerin, als sie den Supermarkt betrat.
»Meinen Sie die Kappelei zwischen
den beiden?«
»Wer war das?«
»Och, dat waren Heiko und Jan«,
antwortete Helene, die auch gleich einen Grund für den Streit der Männer parat hatte.
»Ging doch bestimmt um eine Frau,
oder? Wenn man nich sogar um Katrin.«
Marlene nickte. Anscheinend war
im Dorf bekannt, dass die beiden hinter der Bauerntochter her gewesen waren. Aber
ob die Ladenbesitzerin auch von den Beschuldigungen wusste, die die beiden sich
an den Kopf geworfen hatten?
»Mhm«, überlegte die rundliche Frau
hinter dem Kassentresen, als Marlene ihr davon berichtete. »Kann ich mir eigentlich
nicht vorstellen. Heiko und Jan sind ganz anständige Kerle. Dass die was mit dem
Mord zu tun haben?«
Sie starrte gedankenversunken durch
die gläserne Eingangstür hinüber auf den
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