Nordfeuer - Kriminalroman
Steege entlang. Der kleine Vorplatz war mit Autos gut gefüllt.
Die Trauergäste parkten bereits die Straße entlang.
»Moin, Haie«, grüßte ihn Christian
Brodersen, sein ehemaliger Nachbar, »du machst das richtig. Brauchst dir keine Sorgen
um ein Parkplatz zu machen.«
Haie nickte und stieg vom Rad.
»Hätte aber auch nicht geglaubt,
dass so viele kommen.« Er schob sein Fahrrad zum Zaun des Friedhofes.
»Na, was hast du denn gedacht?«
Christian Brodersen wartete, bis Haie sein Rad abschlossen hatte. »Is’ schließlich
die Sensation im Dorf«, erklärte er flüsternd den massiven Zustrom der Trauergäste.
Das konnte Haie sich allerdings vorstellen. Er selbst war ja kaum mit der Familie
bekannt und wollte trotzdem der Toten die letzte Ehre erweisen.
»Hat die Polizei denn inzwischen
irgendetwas rausgefunden?« Der ehemalige Nachbar wusste von Haies Kontakt zu Kommissar
Thamsen.
»Nicht viel. Bloß, dass Katrin wohl
zu mehreren Männern gleichzeitig eine Beziehung hatte.«
»Hah«, lachte Christian Brodersen,
»das dürfte ja nicht schwer gewesen sein. War ja ein offenes Geheimnis im Dorf.«
Sie hatten den Eingang der Kirche
erreicht und beendeten das Gespräch. Das Kirchenschiff war beinahe bis auf den letzten
Platz gefüllt. Haie quetschte sich noch ans Ende einer der Bänke, saß aber letztendlich
nur mit halber Pobacke auf dem Holz. Vorsichtig blickte er sich um, doch er konnte
weder Holger Leuthäuser noch Jan Schmidt sehen.
»Könnten Sie noch ein Stück rücken?«
Dirk Thamsen stand plötzlich neben ihm.
»Aber klar.«
Haie presste sich mit aller Kraft
gegen die Hüfte seines Nachbarn und tatsächlich entstand eine kleine Lücke. Er rückte
sofort auf. Nach mehrmaligen Drücken und Schieben reichte der Platz neben ihm aus
und der Kommissar konnte sich endlich setzen.
»Ganz schön
voll«, bemerkte Thamsen, der sich ebenfalls suchend zwischen den anderen Gästen
umsah.
»Ja, aber die beiden Hauptverdächtigen
sind nicht da.«
Dirk Thamsen runzelte die Stirn,
doch ehe er etwas zu den fleißigen Ermittlungen des Hausmeisters sagen konnte, setzte
laute Orgelmusik ein und die Trauerfeier begann.
Toms Meeting war besser gelaufen, als er gedacht
hatte. Der Vorstand der Firma hatte sein Konzept abgenickt. So leicht hatte er es
sich nicht vorgestellt, die fünf Herren von seinen Vorschlägen zu überzeugen. Aber
die Strategie war auch nur der erste Meilenstein in dem Projekt gewesen. Nun hieß
es, sie umzusetzen und Ergebnisse zu liefern. Das würde nicht einfach werden. Der
Markt für erneuerbare Energien war hart umkämpft. Zwar war die Nutzung von Windenergie
in den letzten Jahren geradezu rasant gestiegen, aber gleichzeitig gab es immer
mehr Anlagenhersteller, die gegeneinander vor allem um die Investoren von Windparks
buhlten.
Ein hartes Stück Arbeit lag vor
ihm, mit der er sofort nach der Hochzeit beginnen musste.
Daher konnten sie auch nicht gleich
in die Flitterwochen starten. Marlene war sehr enttäuscht gewesen, als er ihr gesagt
hatte, sie müssten mit ihrer Reise mindestens bis zum Herbst warten. Sie hatte sich
so darauf gefreut, sich mit ihm sofort nach der Feier aus dem Staub zu machen und
sich ein paar Tage ganz allein dem neuen Gefühl ›Verheiratet sein‹ hingeben zu können.
»Was soll ich denn meiner Mutter sagen?«, hatte sie traurig gefragt, »die hat doch
schon alles gebucht.«
Sie hatten Plätze auf einem Luxusschiff
reserviert, welches von Gibraltar bis ans Schwarze Meer fahren würde. Natürlich
hatte Gesine Liebig darauf bestanden, die Reise zu bezahlen und selbstverständlich
die Suite gebucht.
Tom war sich nicht sicher, ob eine
Kreuzfahrt wirklich das Richtige für ihre Flitterwochen war, aber Marlene hatte
ihm so begeistert die Bilder in dem Reiseprospekt gezeigt, da hatte er schließlich
nicht »Nein« sagen können.
Vielleicht war es ihm aber deshalb
so leicht gefallen, den Auftrag bei der Windenergiefirma anzunehmen. Denn für Flitterwochen
würde keine Zeit bleiben. Das hatte er von Anfang an gewusst.
»Wir holen das nach. Ganz bestimmt«,
hatte er Marlene versprochen. »Aber schau, da ich demnächst der Ernährer der Familie
bin, brauchen wir das Geld.«
Trotzdem hatte
er irgendwie ein schlechtes Gewissen. Natürlich war der Job in Husum äußerst lukrativ.
Aber sie hätten nicht hungern müssen, wenn er den Zuschlag nicht erhalten hätte.
Wahrscheinlich war die Arbeit in dem Unternehmen eine willkommene Ausrede, denn
so ganz behagte ihm die
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