Nordfeuer - Kriminalroman
Wunden auf? Die
Trennung der Eltern, die Alkoholeskapaden der Mutter, die Vernachlässigung?
»Gut, ich bringe
sie morgen früh noch zur Schule«, hatte er nachgegeben. Dann musste er sich halt
ein wenig beeilen, um rechtzeitig zur Trauung in Hamburg zu sein.
»Hat er noch
was wegen Holger Leuthäuser gesagt?«, fragte Tom, den natürlich brennend interessierte,
was der Referendar zu der Brandsalbe zu sagen hatte.
»Nee, der war
voll im Stress. Können wir ihn ja morgen fragen. Von Erk habe ich ihm auch noch
nichts erzählen können.«
Sie verstauten ihr Gepäck im Kofferraum
und stiegen ein.
»Hast du abgeschlossen?«, vergewisserte
sich Tom. Ein wenig besorgt war er schon. Immerhin hatte es gestern wieder gebrannt.
Wer wusste, ob der Brandstifter sich nicht während ihrer Abwesenheit ihr Haus als
nächstes auswählte.
»Is ja kein Reet. Bisher hat der
fast ausschließlich Reetdachhäuser in Brand gesteckt«, bemerkte Haie, um den Freund
ein wenig zu beruhigen.
Tom lenkte den Wagen die Dorfstraße
entlang zur B5. Dort bog er ab.
»Willst du über die A23 fahren?
Das dauert doch viel länger«, bemerkte Marlene.
Dirk Thamsen stand vom Schreibtisch auf und räumte seine Sachen zusammen.
Morgen würde er nicht in der Dienststelle sein und wenn er ehrlich war, freute er
sich sehr darauf.
Am Nachmittag hatte es noch einmal
eine Besprechung gegeben. Die Brände waren beinahe so etwas wie Normalität geworden,
und da es auch diesmal keine Spuren vom Täter gab, traten sie weiter auf der Stelle.
Zumindest bei den Ermittlungen der SoKo. Denn noch immer wollten die Husumer Kollegen
nichts von einem möglichen zweiten Täter wissen.
Er hatte sich bei dem Meeting diesmal
zurückgehalten. Seinem Chef zuliebe, denn Rudolf Lange saß in diesem Fall zwischen
den Stühlen. Er wusste, wenn es nach dem Leiter der Dienststelle ginge, würde er
ihm freie Hand lassen. Aber in diesem Fall ermittelte nun einmal die Kripo, und
da musste er sich mehr oder weniger fügen.
Dirk Thamsen hatte seit der letzten
Unterredung, in der sein Chef ihm gesagt hatte, er solle sich zusammenreißen, nicht
mehr mit ihm gesprochen. Seine Ermittlungen und die Ergebnisse daraus hatte er für
sich behalten. Viel war es zwar nicht, was bisher dabei raus gekommen war, aber
er erhoffte sich schon bald neue Informationen, sobald Heiko Stein aus dem künstlichen
Koma geholt wurde.
Der Arzt hatte ihm heute am Telefon
mitgeteilt, der Zustand des Verletzten stabilisiere sich schneller als gedacht und
unter der Voraussetzung, der Patient erleide keinen Rückschlag, könne man eventuell
schon nächste Woche das Heilkoma beenden.
Bis dahin ging er sowieso nicht
von großartig neuen Ergebnissen aus. Da konnte er sich also auch einmal das Wochenende
frei nehmen. Morgen würde er zu der Hochzeit von Tom Meissner und Marlene Schumann
nach Hamburg fahren. Obwohl er die beiden noch nicht allzu lange kannte, freute
er sich sehr auf die Feier und fühlte sich geehrt, als Trauzeuge die Braut zum Altar
geleiten zu dürfen. Er mochte Marlene Schumann.
Sie hatten sich vor einiger Zeit
– leider unter sehr unglücklichen Umständen – kennen gelernt. Seitdem verband sie
jedoch ein unsichtbares Band miteinander – man konnte es fast Freundschaft nennen.
»Dirk?«
Thamsen schrak aus seinen Gedanken
auf. In der Tür stand sein Vorgesetzter.
»Ich wollte dir ein schönes Wochenende
wünschen.« Rudolf Lange nickte ihm leicht zu.
»Danke.« Thamsen war überrascht.
Und anscheinend war der gute Wunsch nicht alles, was sein Vorgesetzter loswerden
wollte. Mit hängenden Schultern betrat er das Büro und ließ sich stöhnend auf einem
der Holzstühle nieder.
Dirk Thamsen betrachtete ihn eingehend,
während er darauf wartete, was sein Chef sonst noch mit ihm besprechen wollte.
Rudolf Lange sah müde aus. Er nahm
seine Brille ab und massierte sich leicht die Stirn. Thamsen rätselte, was er auf
dem Herzen haben mochte, denn für gewöhnlich kam sein Chef nur in sein Büro, wenn
es Arbeit zu verteilen gab oder sich jemand beschwerte.
»Haben die Husumer wieder rumgenörgelt?«
Er konnte sich zwar nicht erinnern, ihnen einen neuen Anlass gegeben zu haben, aber
wahrscheinlich ritten sie nach wie vor auf seinem letzten hitzigen Ausbruch herum.
Allein, wie sie ihn heute angeschaut hatten, konnte er sich denken, dass das Thema
noch nicht erledigt war.
Doch Rudolf Lange schüttelte seinen
Kopf.
»Ich höre auf.«
»Was?« Er glaubte, sich verhört
zu haben. Rudolf Lange,
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