Nordfeuer - Kriminalroman
nie
ändern.
Trotzdem war er nicht ihr leiblicher
Sohn, und es war an der Zeit, ihm dies nicht länger zu verschweigen. Zu lange hatte
sie schon gewartet.
»Dein Vater war schon einmal verheiratet.
Und zwar mit meiner Zwillingsschwester Margarete.«
Schon bald nach der Hochzeit war
Margarete schwanger gewesen. Die Familie hatte sich mit dem jungen Paar gefreut,
besonders, als ein Stammhalter geboren wurde.
»Du warst ein wirklich süßes Baby.«
Aber nur wenige Tage nach der Geburt
war seine Mutter am Kindbettfieber erkrankt. Erfolglos hatten die Ärzte gegen die
Infektion angekämpft, und schließlich war Margarete Thamsen nur zwei Wochen nach
der Entbindung gestorben.
»Dein Vater war am Boden zerstört.
Margarete war die Liebe seines Lebens. Außerdem war er natürlich total überfordert
mit einem Säugling.«
Sie habe sich seiner angenommen,
ihn gefüttert, gebadet, gewickelt. Eigentlich sollte es nur vorübergehend sein,
bis Hans sich wieder gefangen hatte. Aber es war für sie zu einer Selbstverständlichkeit
geworden, die Mutterrolle zu übernehmen, und schließlich hatte Hans sie gefragt,
ob sie ihn heiraten und für ihn und Dirk sorgen wolle.
»Ich wusste, er liebt mich nicht.
Für ihn war es immer so etwas wie eine Zweckehe, aber ich wollte dich und hatte
Angst, dich zu verlieren, wenn ich Nein gesagt hätte.«
Dirk Thamsen hatte sich oftmals
gefragt, ob da so etwas wie Zuneigung zwischen seinen Eltern herrschte. Er hatte
es allerdings immer auf die lange Zeit geschoben, welche die beiden bereits verheiratet
waren. Der Alltag zerstört oftmals jede Zärtlichkeit. Dass da nie so etwas wie Liebe
zwischen den beiden gewesen war, darauf wäre er nicht gekommen.
»Ja, aber in meiner Geburtsurkunde
stehst doch du auch als meine Mutter drin.«
So ganz verstand er immer noch nicht
die Zusammenhänge.
Magda Thamsen schüttelte ihren Kopf.
»Es ist dir nur nie aufgefallen«, flüsterte sie.
Ihr vollständiger Name lautete Magdalena,
aber niemand nannte sie so. Immer schon rief man sie Magda, was auch eine Kurzform
von Margarete hätte sein können. Zumindest klangen die Namen sehr ähnlich und dadurch,
dass sie und Margarete Zwillingsschwestern waren, gab es auch kein unterschiedliches
Geburtsdatum. Deshalb war es Dirk wohl nie aufgefallen, zumal sie nach der Heirat
mit seinem Vater auch alle den gleichen Nachnamen hatten.
»Und Hans hat geschwiegen. Er wollte
nicht, dass darüber jemals noch ein Wort verloren wurde.«
»Ja, aber was ist mit Tante Margot
und all den anderen Leuten, die davon gewusst haben?« Dirk verstand nicht, wie sein
Vater sie alle hatte zum Schweigen bringen können. Nie war auch nur die kleinste
Andeutung gemacht worden beziehungsweise eine eigenartige Bemerkung gefallen. Oder
hatte er es nur nicht wahrgenommen? War er derart verblendet gewesen? Vor Wut über
seinen Vater?
»Hans hat gesagt, es sei das Beste
für dich, wenn man nicht darüber spräche und dich ganz normal aufwachsen ließe.«
Dem hatten alle zugestimmt, zumal klar war, dass dies nicht nur dem Wohle des Kindes
diente. Irgendwann gerieten die Umstände um die kleine Familie dann in Vergessenheit
und das Leben nahm seinen Lauf. Nach außen schien alles in Ordnung zu sein.
Innerlich jedoch war Hans Thamsen
ein gebrochener Mann und Magda Thamsen war es nie gelungen, wirklich an ihn heranzukommen.
Zwar hatten sie wie ein normales Ehepaar miteinander gelebt und auch die Ehe vollzogen.
Aber um Liebe war es dabei nie gegangen.
Genauso wenig wie er seinem Sohn
Zuneigung entgegengebracht hatte.
»Dabei warst
du so ein süßer Fratz. Man musste dich doch einfach gern haben.«
Aber sein Vater
hatte nichts mit dem Kind zu tun haben wollen, ihn regelrecht abgewiesen. Zu schmerzlich
war die Erinnerung an seine geliebte Frau, wenn er den gemeinsamen Sohn sah. Dabei
war er doch ein Teil von Margarete und sie lebte quasi durch ihn weiter.
»Er hat dich für ihren Tod verantwortlich
gemacht.«
In Thamsens Ohren klingelte es.
So viele Informationen. Sein gesamtes Leben stand plötzlich Kopf. Er nahm einen
Schluck Rotwein. Ihm fehlten einfach die Worte. Und doch hatte er den Eindruck,
als warte sie auf eine Reaktion von ihm. Nur, was sollte er zu der ungeheuerlichen
Geschichte sagen? Er war sich selbst nicht sicher, wie er diese Neuigkeit empfand.
Daher war er geradezu erleichtert, als plötzlich sein Handy klingelte.
»Wirklich? Ja, ich komme sofort.«
Normalerweise hätte es ihm leid
getan, sie in diesem Moment allein zu
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