Nordfeuer - Kriminalroman
sehr traurig, oder?«, fragte
Anne, als er sie an der Schule ablieferte.
»Ja, sehr.«
Als er in Flensburg auf die A7 fuhr,
klingelte sein Handy. Es war Rudolf Lange.
»Dirk, wo steckst du?«
Thamsen stöhnte innerlich. Er wusste,
die Husumer Kollegen hatten eine Besprechung anberaumt, trotzdem hatte er sich aus
dem Staub gemacht.
»Auf dem Weg nach Kiel. Heiko Stein
ist wach.«
Er hörte Rudolf Lange am anderen
Ende tief einatmen. Natürlich würden die Kripobeamten den Fall nun zum Abschluss
bringen wollen. Für sie gab es keinen zweiten Täter. Jedenfalls hatten sie diese
Möglichkeit stets außer Acht gelassen. Warum, das wusste Thamsen nicht, aber ihm
war klar, sie würden nun versuchen, Lars Liedtke den Mord anzuhängen.
Nachdem Rudolf Lange ihm von seinem
Rücktritt erzählt hatte, ging er fest davon aus, sein Vorgesetzter würde den Kollegen
zustimmen und seinen Alleingang nicht unterstützen. Doch da hatte er sich in seinem
Chef getäuscht. Rudolf Lange hielt große Stücke auf Dirk Thamsen. Nicht umsonst
hatte er ihn als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Da wollte er nun keinen Rückzieher
machen. Und vielleicht war Thamsen ja doch auf der richtigen Fährte. Eigentlich
hatte er immer ein gutes Gespür bewiesen, wenn es um vertrackte Fälle ging.
»Gut«, stimmte er schließlich zu.
»Aber du meldest dich sofort, sobald es etwas Neues gibt.«
Für einen Dienstagmorgen war es reichlich voll auf der Autobahn. Thamsen
kam nur schleppend voran. Eine lange Schlange LKWs bewegte sich gen Süden und die
Brummis verursachten einen Stau nach dem anderen, wenn sie sich gegenseitig überholten.
Er war für ein generelles LKW-Überholverbot.
Die durften doch sowieso alle nicht schneller als 80 km/h fahren. Eigentlich.
Aber einige Unvernünftige hielten
sich halt doch nicht an diese Regel, und nicht selten kam es insbesondere durch
diese Überholmanöver zu schweren Unfällen. Ungeduldig trommelte er auf das Lenkrad,
als er hinter einem schweren Sattelzug auf der linken Fahrspur über die Autobahn
kroch.
Endlich erreichte er das Kreuz Rendsburg
und bog Richtung Kiel ab. Aber auch hier herrschte dichter Verkehr und er kam nicht
schneller voran.
Erst eine dreiviertel Stunde später
erreichte er Kiel und die Uniklinik. Er parkte auf dem Besucherparkplatz des Krankenhauses
und stieg aus.
Ein mulmiges Gefühl ergriff ihn,
als er durch den Haupteingang trat. Der Geruch nach Krankheit und Tod, der ihn im
Flur empfing, ließ sofort die Erinnerungen an die letzten Tage aufblitzen. Der Anblick
seines toten Vaters. Er schloss die Augen und schluckte.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Thamsen schreckte aus seinen Gedanken.
Ohne es zu merken, hatte ihn auf dem Gang eine Krankenschwester eingeholt. Da der
Zugang zur Brandverletztenstation durch eine verschlossene Tür abgesichert war,
musste er ohnehin um Einlass bitten.
Dirk Thamsen sah die junge Frau
stumm an, die ihn mit leuchtend blauen Augen musterte. »Nun …«, hakte sie nach,
als er nicht antwortete.
»Ja«, er räusperte sich und spürte,
wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. »Ich wollte zu Heiko Stein.«
Ihr Lächeln verschwand plötzlich.
»Herr Stein darf noch keinen Besuch empfangen«, entgegnete sie schroff und ließ
ihn einfach stehen.
Thamsen verstand diesen plötzlichen
Umschwung im Verhalten der Schwester gar nicht. Hatte er irgendetwas falsch gemacht?
Er beeilte sich, sie einzuholen.
»Dr. Menzel hat mich angerufen.
Ich bin von der Polizei.«
»Ach so«, ihre Miene erhellte sich
ein wenig. »Wissen Sie«, entschuldigte sie ihre harsche Haltung. »Es war neulich
erst einer hier, der Heiko Stein besuchen wollte. Der war so hartnäckig und ließ
sich nicht abwimmeln. Wir mussten schließlich den Sicherheitsdienst rufen.«
Thamsen kniff seine Augen zusammen.
Über den Vorfall war er gar nicht informiert. »Kennen Sie den Namen des Mannes?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf.
»Aber ich kann gerne beim Wachdienst nachfragen. Die haben bestimmt die Personalien
aufgenommen.«
Sie öffnete die schwere Sicherheitstür
und ließ ihm den Vortritt. Anschließend führte sie ihn zu Heiko Steins Zimmer.
»Ich hole Dr. Menzel. In der Zwischenzeit
ziehen Sie bitte die Schutzkleidung an.«
Heiko Steins Zustand war inzwischen
zwar stabil, dennoch konnten Keime und Bakterien auf den noch nicht verheilten Brandwunden
schwere Infektionen auslösen.
Thamsen zog sich gerade die weiße
Hose hoch, als Dr. Menzel eintrat.
Er reichte dem Mediziner die Hand.
»Wir
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