Nordfeuer - Kriminalroman
Rausch bei einem One Night Stand ein Kind zeugte, für das man
sein Leben lang Unterhalt zahlen musste, sich aber an den eigentlichen Orgasmus
nicht einmal erinnern konnte.
»Beruhigen Sie sich doch, bitte.«
Doch Heiko Stein regte sich plötzlich
fürchterlich auf.
»Ich bin ein Wrack. Sehen Sie mich
an, wie ich zugerichtet bin. Wie ein Monster sehe ich aus. Und ich weiß noch nicht
einmal, wer mir das angetan hat und warum.« Thamsen nickte kaum merklich. Selbst
wenn die Verletzungen abgeschwollen und die Rötungen zurückgegangen waren, es würden
Narben bleiben. Narben und deutliche Spuren der transplantierten Haut, die zwar
das Überleben sicherte, aber ganz offensichtlich, nicht dort hingehörte. Die Struktur
der Haut war zerstört. Ein Stück Haut aus dem Oberschenkel im Gesicht, eins aus
dem Arm am Hals.
Er wusste nicht, was er sagen sollte,
um den Mann zu beruhigen. In solchen Dingen war er sowieso eher ungeschickt und
seiner Meinung nach gab es in dieser Situation auch nichts, was man tröstend sagen
konnte. Sätze wie »Ist doch nicht so schlimm. Kommt Zeit, kommt Rat. Die Zeit heilt
alle Wunden« fand er derart abgedroschen. Da sagte er lieber gar nichts, als solch
eine blöde Bemerkung zu machen.
Er war beinahe froh, als der Arzt
plötzlich ins Zimmer stürmte und ihn mit einem strafenden Blick bedachte. »Ich hatte
Ihnen doch gesagt – behutsam«, zischte er ihn an und kontrollierte augenblicklich
Heiko Steins Puls. Anscheinend stellte ihn dieser nicht zufrieden, denn er bemerkte
daraufhin »Besser, Sie gehen jetzt.«
Thamsen verabschiedete sich von
Heiko Stein, doch der nahm seinen Gruß gar nicht wahr. Kraftlos war er in sich zusammengesunken,
der Arzt spritzte ihm ein zusätzliches Schmerzmittel.
Er hatte sich noch nicht der Schutzkleidung
entledigt, als Dr. Menzel aus dem Zimmer trat.
»Ich kann ja verstehen, Sie wollen
nur den Fall aufklären«, sagte er immer noch reichlich verärgert. »Aber so verlängern
Sie die Amnesie nur.«
Haie trat kräftig in die Pedale. Er war den Wind zwar gewohnt, dennoch
kostete es ihn einige Anstrengung, gegen die steife Brise anzuradeln.
Er war halt nicht mehr der Jüngste,
musste er sich eingestehen und auch wenn er gut trainiert war, merkte er, wie eine
Tour gegen den Wind ihn mehr anstrengte, als er sich eigentlich eingestehen mochte.
Er fuhr den Weg in den Herrenkoog
hinaus zu dem Hof der Martensens. Ursprünglich hatte er ja bereits vorgestern bei
dem Bauern vorbeischauen wollen, aber da war ihm die Sache mit Jan Schmidt dazwischen
gekommen.
Dadurch hatte er zumindest noch
einmal genügend Zeit gehabt, sich eine Ausrede zu überlegen, warum er auf dem Hof
aufkreuzte.
Er kannte Fritz und Ingrid Martensen
zwar, aber so dick befreundet waren sie nicht und eigentlich hatten sie nicht wirklich
etwas miteinander zu tun. Daher musste er natürlich einen Grund erfinden, warum
er die Eltern der Toten aufsuchte. Aber auch trotz des Zeitpuffers war ihm keine
plausible Ausrede eingefallen. Daher grübelte er immer noch, was er den beiden sagen
sollte, wenn er ihnen entgegen trat.
Schon schob sich der Hof in sein
Blickfeld und er bremste ab. Das Anwesen der Martensens war wirklich beachtlich.
Neben den riesigen Stallungen gehörte auch etliches Land zu dem Besitz des Bauern.
Seit Broder Petersen, der einstmals reichste Landwirt der Gegend, verstorben war,
hatte Fritz Martensen dessen Platz im Dorf eingenommen und das nicht zuletzt, weil
er günstig Ländereien von dem hoch verschuldeten Erben Petersens erworben hatte.
Plötzlich stellte sich ihm die Frage, ob der Mord an Katrin Martensen vielleicht
etwas mit dem Reichtum der Familie zu tun haben könnte. Geld war ja durchaus ein
Mordmotiv. In diese Richtung hatten bisher weder Thamsen noch er gedacht.
Aber wer hatte einen Vorteil vom
Tod der Bauerntochter? Außer Erk kam ihm niemand in den Sinn. Aber der hatte bereits
viel Geld vom Vater bekommen; mehr als Katrin. Deswegen war es zwischen den Geschwistern
ja angeblich zum Streit gekommen. Außerdem hatte er ein Alibi. Wenn auch ein recht
unglaubwürdiges. Dieser Kauz aus seinem Laden hätte ihm zuliebe wahrscheinlich alles
bestätigt.
Er schüttelte seinen Kopf. Nein,
Geld war sicherlich nicht das Motiv für den Tod von Katrin gewesen. Wahrscheinlich
hatte doch einer ihrer zahlreichen Liebhaber die Schnauze voll gehabt und Rot gesehen.
Denn auch, wenn sich der eine oder
andere durch eine Verbindung mit Katrin einen Anteil am Hof der Martensens
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