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Nordmord

Titel: Nordmord Kostenlos Bücher Online Lesen
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Seine Arbeit erschien ihm zunächst einmal wieder
wichtiger. Schließlich war eine junge Frau ermordet worden und der Mörder lief
noch frei herum.
    Erst einmal musste jedoch die Leiche identifiziert werden.
Marlene Schumann würde in ungefähr einer Stunde im Krankenhaus sein. Auch wenn
er sich wünschte, dass die Tote nicht die junge Frau war, die ihn vor wenigen
Tagen um Hilfe gebeten hatte, die Wahrscheinlichkeit war eher gering. Flüchtig
hatte er die Vermisstenmeldungen der letzten Tage durchgesehen, aber eine
verschwundene Frau, auf welche die Beschreibung der Toten zutraf, hatte
eigentlich nur die Freundin von Heike Andresen abgegeben. Außerdem passte
leider alles wie die besagte Faust aufs Auge. Sie hatte sich an ihn gewandt,
weil sie etwas wusste. Etwas Illegales, Verbotenes, Ungereimtheiten, hinter
denen sie vielleicht ein Verbrechen vermutete. Sie hatte es ihm, der Polizei,
melden wollen. Und nun war sie tot.
    Aber was genau hatte sie mit ihm besprechen wollen und wer
hatte sie deshalb umgebracht?
    Er blickte auf seine Armbanduhr. Es war Zeit, sich auf den
Rückweg zu machen. In einer halben Stunde musste er im Krankenhaus sein.
    Tom und Marlene betraten die Eingangshalle. In etwa 15
Minuten waren sie mit Kommissar Thamsen hier verabredet.
    »Möchtest du vielleicht einen Kaffee?«
    Sie schüttelte ihren Kopf. Kaffee brauchte sie nicht, ihr
Herz raste auch so schon wie verrückt. Unruhig ging sie in dem kleinen
Aufenthaltsraum auf und ab.
    Tom setzte sich und beobachtete sie.
    Er konnte ihre Nervosität und Angst gut nachvollziehen. Wie
es wohl war, einen toten Menschen zu sehen? Und was, wenn es tatsächlich Heike
war? Er war sich unsicher, wie Marlene reagieren würde.
    Durchs Fenster sah er den Kommissar auf den Eingang zukommen.
Sie hatte ihn auch gesehen. Zum Gruß hob sie kurz die Hand, eilte in Richtung
Eingang.
    »Möchten Sie Ihre Freundin begleiten?«
    Er nickte.

     
    Zusammen gingen sie die Treppe hinunter in den
Keller. Vor einer großen Flügeltür blieb der Kommissar kurz stehen. Dahinter
befand sich der Raum, in dem die Toten lagen, bis sie vom
Bestattungsunternehmen abgeholt wurden. Ursprünglich hatte man die Leiche nach
Kiel in die Gerichtsmedizin überführen wollen, dann aber war Dr. Becker
persönlich hierher gekommen, da er sich auch ein Bild vom Tatort hatte machen
wollen.
    »Ich weiß ja nicht …«, begann Dirk Thamsen umständlich.
    Er sah Marlenes starren Blick. Tom nickte ihm zu, der
Kommissar stieß die Tür auf.
    Sie lag unter einem grünen Tuch. Neben dem Tisch stand ein
junger Mann in einem weißen Kittel.
    Zögernd traten sie näher. Marlene griff nach Toms Hand. Er
fühlte die kalte, feuchte Innenseite und betrachtete sie von der Seite. Ihr
Gesicht war bleich, die Augen starr auf den Tisch gerichtet.
    Auf ein Nicken des Kommissars hin, hob der junge Mann
behutsam das grüne Tuch.
    »Heike«, entfuhr es ihr.
    Das Wort schien in dem gekachelten Raum widerzuhallen und war
so über jeden Zweifel bezüglich der Identität der Toten erhaben.
    Sie entzog ihm ihre Hand, strich der toten Freundin
vorsichtig übers Gesicht.
    »Sie sieht aus, als ob sie schläft«, flüsterte sie dabei.
    Tom lief ein Schauer über den Nacken. Er hatte noch nie einen
toten Menschen gesehen und er hatte es auch tunlichst vermieden, sich
vorzustellen, jemals in eine Situation wie diese zu kommen. Er war erschrocken
und erleichtert zugleich. Erleichtert, weil es eigentlich gar nicht schlimm
war. Heike lag auf dem Tisch vor ihnen, so wie Marlene sagte, als schliefe sie
nur.
    Trotzdem verspürte er ein
beklemmendes Gefühl in seiner Magengegend. Er war wie gefangen von diesem
Anblick: das grau-blaue Gesicht, die blutleeren Lippen, die strähnigen Haare.
Er hatte Angst, wenn er auch nur eine Sekunde seinen Blick von ihr wenden
würde, dass sich die bleichen Augenlider plötzlich heben und sich das Gesicht
zu einer Grimasse verzerren würde, die ihn zu Tode erschreckte. Obgleich er
wahrscheinlich erleichtert wäre und sich nichts sehnlicher für Marlene
wünschte, als dass ihre Freundin lebte und ihr Lachen plötzlich den Raum
erfüllte.
    Er suchte, ohne seinen Blick von dem toten Gesicht zu wenden,
Marlenes Hand und griff ins Leere. Erst jetzt blickte er zur Seite und
bemerkte, dass sie am Boden lag. Der Kommissar kniete neben ihr.
    »Hallo, Frau Schumann? Hallo?«
    Tom ging ebenfalls in die Hocke.
    »Marlene?«
    Er klopfte ihr leicht mit der flachen Hand

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