Nordmord
eine Straftat musste es gewesen sein. Oder wieso hatte sie sonst mit der
Polizei sprechen wollen?
Er schaute Haie an.
»Was meinst du, welche Papiere das gewesen sind, die sie
Malte gezeigt hat?«
Der Freund blickte ihn herausfordernd an.
»Das könnte man vielleicht rauskriegen.«
14
Kommissar Thamsen hatte zunächst die Kollegen in
Husum wegen des Wagens der Ermordeten informiert und sich dann auf den Weg zur
Wohnung von Heike Andresen gemacht. Die Kollegen von der Spurensicherung hatten
bereits mit ihrer Arbeit begonnen.
Auf den ersten Blick war da nichts Auffälliges.
Die Zimmer waren zweckmäßig eingerichtet. Es herrschte eine gewisse Unordnung,
von welcher er aber nicht sagen konnte, dass sie ihn störte. Das Badezimmer
wirkte sauber. Keine zweite Zahnbürste, keine Bartstoppeln im Waschbecken, kein
Aftershave. Heike Andresen schien Single gewesen zu sein.
Die Bücherregale waren hauptsächlich mit Fachliteratur
gefüllt, daneben ein paar Romane von Martin Walser, Henning Mankell und Paul
Auster. An der Pinnwand über dem Schreibtisch eine private Telefonliste, ein
paar Fotos, darunter auch etliche, auf denen Marlene Schumann zu sehen war.
Sein Blick fiel auf eine Landkarte, die neben dem Foto eines kleinen Jungen
hing.
Wahrscheinlich eine Patenschaft, dachte er.
Er drehte sich um, als
ein Kollege den Raum betrat.
»Herr Thamsen, die Vermieter warten auf Sie.«
Er ging hinüber ins Haupthaus. Ein Mann Ende 50 öffnete die
Tür. Man hatte ihn erwartet. Er stellte die üblichen Fragen. Wie lange Heike
Andresen bei ihnen gewohnt habe? Seit etwas länger als neun Monaten. Ob ihnen
etwas besonders aufgefallen sei? Nein, die Mieterin sei sehr ruhig und äußerst
anständig gewesen. Sonst noch was?
Das Ehepaar schüttelte gleichzeitig die Köpfe.
»So ein junges, hübsches Ding. Wer macht denn so was?«,
fragte der Mann.
Dirk Thamsen entging der gehässige Blick nicht, den die
Ehefrau ihrem Mann zuwarf.
»Wir wissen es leider nicht. Noch nicht.«
»So ein Mist!«
Haie und Tom saßen geduckt hinter einem Gartenzaun und
beobachteten, wie Heikes Wagen gerade auf einen Abschleppwagen geladen wurde.
Ein Polizist in Uniform überwachte den Vorgang.
»Aber selbst wenn wir vor der Polizei da gewesen wären, wie
hättest du den Wagen öffnen wollen?« fragte Tom flüsternd den Freund.
Haie grinste.
»Das hätte ich schon hingekriegt.«
Er hatte schließlich Übung. Eine junge Lehrerin hatte bereits
mehrere Male ihren Schlüssel verlegt. Da sie den Ersatzschlüssel immer im
Handschuhfach aufbewahrte, hatte er ihr schon mehrere Male ausgeholfen.
»Im Handschuhfach? Wie dämlich ist das denn?«
Haie zuckte mit den Schultern, während er den
Abschleppvorgang weiter beobachtete. Plötzlich hörten sie hinter sich ein
Räuspern.
»Dürfte ich wohl erfahren, was die Herrschaften in meinem
Vorgarten verloren haben?«
Ein älterer Mann war
unbemerkt hinter sie getreten. Die Hände in die Hüften gestemmt, wartete er auf
eine Erklärung von den beiden. Tom, dem die Situation äußerst peinlich war,
schoss das Blut ins Gesicht, aber sein Freund antwortete wie
selbstverständlich:
»Oh, entschuldigen Sie bitte. Wir haben da drüben einen alten
Bekannten gesehen, dem wir nicht begegnen wollten, wenn Sie verstehen?«
Er zwinkerte mit seinem rechten Auge.
»Deshalb haben wir hinter Ihrem wunderschönen Zaun kurz
Schutz gesucht.«
Der Mann blickte nicht besonders überzeugt, nickte aber, als
die beiden sich erhoben und auf den Gehsteig traten. Haie blickte nach rechts
und links, tat als vergewissere er sich, dass der angebliche Bekannte nicht
mehr in Sichtweite war. Dann drehte er sich um.
»Danke und nichts für ungut!«
Schnell gingen sie die Straße entlang zurück zu ihrem Wagen.
»Hoffentlich ist Marlene nicht aufgewacht.«
Haie hatte vorgeschlagen, Elke zu bitten, bei Marlene zu
bleiben. Tom hatte zugestimmt. Er wusste, dass es dem Freund nicht leicht fiel,
seine Exfrau um einen solchen Gefallen zu bitten. Allerdings fragte er sich, ob
Elke nicht doch ein wenig überfordert war mit der Situation, besonders wenn
Marlene aufwachte und wieder einen Weinkrampf bekam.
»Ist die Apotheke am Markt?«
Sie hatten das Ortsschild Bredstedts passiert. Eine Apotheke
hatte hier Notdienst, er hatte sich erkundigt.
Sein Beifahrer nickte kaum
merklich. Während der Freund das Rezept einlöste, blieb Haie im Wagen sitzen.
»Echt schade, dass die Polizei vor uns
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